Abschluss der Fußball-WM

Die halbe Wahrheit

von Redaktion

Es ist immer Vorsicht geboten, wenn Sportfunktionäre zu Superlativen greifen. „The best games ever“, das ist längst nur noch eine Parole, kein Bekenntnis aus Überzeugung. Wachstum ist schließlich Pflicht, gerade im Weltsport. Schneller, höher, weiter, teurer, toller.

Gianni Infantino hat ein überschwängliches WM-Fazit gezogen. Der FIFA-Boss argumentiert, wie es Sportbosse immer tun. Die Stadien waren voll, die Einschaltquoten hoch, die Spiele spannend. Er hätte noch anmerken können, dass es auf den Straßen friedlich blieb, anders als etwa bei der EM 2016. Auf der organisatorischen Ebene verlief die Weltmeisterschaft tatsächlich tadellos.

Es ist nur so, dass die Bewertung immer auch auf einer anderen Ebene stattfindet. Denkt man etwa an die friedliche Stimmung, kommt man nicht umhin, sich an 2016 zu erinnern, wo Fanhorden wüteten – nicht zuletzt russische. Dass es nun ruhig blieb, hat viel damit zu tun, dass der Staat sein Prestigeprojekt mit aller Macht beschützte. Er hatte auch die eigenen Leute eisern im Griff.

Eine makellose Organisation ist aber das Mindeste, was man von so einem Land erwarten darf. In die Gesamtschau müssen auch andere Faktoren einfließen. Da sieht es weniger schmeichelhaft aus. Hochglanzbilder von PR-Terminen mit umstrittenen Politikern, ob aus Russland oder Tschetschenien, verstören gerade in Deutschland, das noch unter dem Eindruck der Erdogan-Affäre steht. Der Fußball war auch diesmal ein dankbares Instrument.

Auf dieser Ebene, politisch und wirtschaftlich, ist die Bilanz ernüchternd. Regelverstöße, die Markenrechte von Sponsoren verletzten, wurden streng geahndet, während nationalistische Töne oder Nazi-Banner nur einen Klaps auf die Finger zur Folge hatten. Die beste WM? Man muss Funktionär sein, um es so zu sehen. Oder Politiker.

Marc Beyer

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