Italien

Brandbrief an die EU-Partner

von Redaktion

von ingo-Michael Feth

Rom – Der Streit zwischen der neuen italienischen Regierung und den europäischen Partnern über die Verteilung von Bootsflüchtlingen aus dem Mittelmeer geht in die nächste Runde. Premier Giuseppe Conte und Innenminister Matteo Salvini beharren auf der sofortigen Verteilung von aus Seenot geretteten Migranten auf andere EU-Staaten. Rom sieht sich dabei von den Beschlüssen des EU-Gipfels vor rund zwei Wochen gedeckt. Die Interpretation, wonach die Staatengemeinschaft als Ganzes für die Seegrenzen des Stiefels verantwortlich sei, haben die Rechtspopulisten von Lega und Movimento 5 Stelle zum Dogma erhoben. Diese zumindest eigenwillige Rechtsauffassung bleibt Dreh- und Angelpunkt der harten Linie, mit der Conte und Salvini die Nachbarländer in der Flüchtlingspolitik unter Druck setzen.

Gestern konnte sich der Lega-Chef, Architekt und Einpeitscher des harten Kurses, bestätigt fühlen. Ein Kontingent von je 50 Flüchtlingen zweier militärischer Patrouillenboote mit insgesamt 450 Schiffbrüchigen an Bord werden Deutschland, Frankreich und Malta freiwillig übernehmen; andere Partner, so triumphierte er, würden bald folgen.

Das war Voraussetzung für die Genehmigung, die beiden Schiffe – eines von der EU-Grenzschutzagentur Frontex, das andere von Italiens Küstenwache – auf Sizilien einlaufen zu lassen. Es ist ein symbolischer Sieg für Rom, auch wenn manche Beobachter schlicht von „Erpressung“ sprechen.

Mit der dreisten Geste, sogar einem Schiff der eigenen Küstenwache die Einfahrt zu verweigern, wenn nicht bereits zuvor die Verteilung der an Bord befindlichen Flüchtlinge geregelt sei, hatte Salvini einen institutionellen Konflikt mit Staatspräsident Mattarella riskiert. Der ließ den Innenminister wissen, dass er mit einer solchen Anweisung seine verfassungsmäßigen Kompetenzen überschreite. „Niemand hat das Recht, einem italienischen Militärschiff das Einlaufen in die Häfen des eigenen Landes zu verweigern“, stellte der klar. In Italien ist der Staatspräsident nominell zugleich Oberbefehlshaber der Streitkräfte. Auch das von der Grillini-Politikerin Elisabetta Trenta geführte Verteidigungsministerium verbat sich die anmaßende Einmischung des Lega-Chefs ins eigene Ressort.

Salvini indessen diktierte Premier Conte am Wochenende ungerührt einen Brandbrief an die europäischen Partner in die Feder. Darin drängt der Regierungschef vehement auf einen festen Verteilungsschlüssel der aufgegriffenen Flüchtlinge. Dafür müssten vor allem in den anderen EU-Anrainerstaaten des Mittelmeers feste Erfassungspunkte eingerichtet werden; so etwa in Frankreich und Spanien. „Italien ist nicht länger bereit, sich zum Abladeplatz von Problemen machen zu lassen, welche die Europäische Union als Ganzes betreffen“, heißt es in dem Schreiben Contes. „Entweder werden sie (die Migranten) auf alle EU-Länder verteilt, oder sie werden hier nicht an Land gehen.“

Zudem will Rom auf dem nächsten Europäischen Rat eine Veränderung der Mittelmeermission „Sophia“ durchsetzen. Es könne nicht sein, dass in deren Richtlinien noch immer italienische Häfen als alleinige Landepunkte vorgesehen sind. Notfalls werde man auch die Sophia-Schiffe nach Libyen zurückschicken, drohte Salvini.

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