Berlin – Nach dem Drama um das tagelang auf dem Mittelmeer blockierte Rettungsschiff „Lifeline“ mit Flüchtlingen an Bord haben die Aktivisten die Zukunft solcher Missionen offengelassen. Man könne noch keine Aussage dazu machen, ob man gleich wieder rausfahre, sagte Sprecherin Marie Naass gestern in Berlin. Das müsse man erst innerhalb der Organisation besprechen. Wenn man nicht mehr vor Ort sei, würden Menschen im Mittelmeer sterben. „Wir wissen aber auch, dass unsere Arbeit massiv erschwert wird – und wir können so eine ,Lifeline‘-Situation nicht jede Woche haben.“
Das Rettungsschiff musste mit rund 230 Flüchtlingen an Bord sechs Tage lange im Meer ausharren, bis es schließlich am Mittwoch einen Hafen auf Malta anlaufen durfte. Zuvor hatte das Schiff „Aquarius“ mit Flüchtlingen an Bord nach tagelanger Irrfahrt schließlich in Spanien angelegt. Die Aktivisten der Dresdner Hilfsorganisation Mission Lifeline müssen nun rechtliche Konsequenzen fürchten, weisen aber alle Anschuldigungen von sich.
Kapitän und Crew seien in einem Hotel in Malta sicher untergebracht worden, sagte Sprecherin Naass in Berlin. Es gebe noch Verhöre, aber man kooperiere mit den Behörden in Malta und gebe alle gewünschten Informationen weiter. Dann müsse intern besprochen werden, wie es weitergehe. „Erst mal muss es darum gehen, dass es der Crew gut geht und dass sich die Lage irgendwie entspannt und dass sich alle sortieren können.“ Auf Twitter rief die Organisation zu neuen Spenden auf.
Man wisse aufgrund des zunehmenden Drucks europäischer Regierungen nicht, ob man Malta weiterhin als operative Basis nutzen könne, sagte Johannes Bayer von der Hilfsorganisation Sea-Watch. Er kritisierte die EU-Regierungen, die sich einer Aufnahme der Flüchtlinge verweigerten. „Jedem hier muss bewusst sein, dass, wenn wir diesen Weg weitergehen, dann gehen wir da über Leichen.“ Bisher wurde das Schiff noch nicht beschlagnahmt. Das hatte Maltas Premier Joseph Muscat angekündigt. Dabei geht es auch um die Beflaggung des Schiffes: Die Hilfsorganisation sagt, es fahre unter niederländischer Flagge, doch die dortigen Behörden verneinen das. Muscat nannte das Schiff mit 17 deutschen Besatzungsmitgliedern „staatenlos“.
Kapitän Claus-Peter Reisch soll deshalb auf Malta vor Gericht gestellt werden. Dem Deutschen werden Verfehlungen im Zusammenhang mit der Registrierung des Schiffes vorgeworfen, wie der maltesische Rechtsbeistand Neil Falzon von Mission Lifeline mitteilte. Gerichtstermin sei am Montag. „Wir werden unser Möglichstes tun, um diese Sache aufzuklären und sicherzustellen, dass Hilfsorganisationen nicht zum Ziel werden, weil sie Menschen in Seenot retten“, sagte Falzon. Ein Sprecher des Büros von Premier Joseph Muscat bestätigte die Vorwürfe.
Die maltesische Regierung erklärte, dass mittlerweile auch Norwegen zugestimmt habe, Flüchtlinge des Schiffs aufzunehmen. Damit sind es neun europäische Länder. Die Bundesregierung sieht sich bisher nicht in der Pflicht, obwohl mehrere Bundesländer Hilfe angeboten haben.