Wie unter einem Brennglas wurde am Wochenende die ganze Dimension des Brexits erkennbar. Exakt zwei Jahre nach dem historischen Referendum zum Austritt aus der EU standen in London die Fronten beider Lager einander gegenüber: Während zehntausende proeuropäische Demonstranten die Straßen Londons füllten, attackierte Boris Johnson, seines Zeichens Außenminister und einer der Hauptzündler für einen harten Brexit, öffentlich seine Regierungschefin: Sie dürfe keinen „Klopapier-Brexit“ (weich, nachgiebig und unendlich lang) zulassen – in der Wortwahl wie in der Sache völlig daneben. Denn in der Realität bangen nicht nur immer mehr Briten um ihre Zukunft, auch in den Vorstandsetagen großer Unternehmen wird man angesichts des Zauderns von Premierministerin May zunehmend nervös. Airbus hat bereits mit dem Rückzug von der Insel gedroht. In der wirtschaftlichen Entwicklung hat das Vereinte Königreich im ersten Quartal 2018 bereits die rote Laterne in der EU übernommen.
Seit zwei Jahren dümpelt die „Britannia“ scheinbar führerlos wie ein Geisterschiff in tosender See. Es ist höchste Zeit für May, an Deck zu erscheinen und einen klaren Kurs vorzugeben: Entweder klar zur Wende zurück in den Hafen der EU-Zollunion oder Leinen los und Schotten dicht zur Flucht aufs offene Meer. In beiden Fällen droht ihr zwar Meuterei eines Mannschaftsteils. Aber in solchen Situationen zeigt sich, aus welchem Holz ein Kapitän (ob Mann oder Frau) geschnitzt ist.
Alexander Weber
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