Der Theaterdonner der von der CSU gezielt inszenierten Regierungskrise übertönt, dass man in Europa plötzlich leise auf einen Fortschritt in der Asylpolitik hoffen kann. Der inoffizielle Entwurf der EU-Kommission für ein Gipfel-Abschlussdokument ist das glatte Gegenteil von Schneckentempo und Wischiwaschi-Formeln früherer Treffen – sondern benennt klar Probleme und Lösungsvorschläge der Flüchtlingspolitik des Kontinents.
Asylbewerbern sollen Strafen drohen, wenn sie aus dem Land ihrer ersten Registrierung wegziehen. Niemand darf sich den EU-Staat, in dem er auf der Flucht vor Krieg und Gewalt seines Heimatlandes Schutz findet, frei aussuchen. Die Unterstützung für Flüchtlinge soll in ganz Europa auf ein „ähnliches Niveau“ gesetzt werden. Frontex soll zu einer 10 000-Mann-Grenzpolizei anwachsen, und zwar in zwei Jahren statt irgendwann Ende des nächsten Jahrzehnts. Noch ist nichts umgesetzt; auch schlummern Detailrisiken in solchen Plänen, etwa wenn dadurch die in Deutschland geplante Umstellung von Geld- auf Sachmittel konterkariert würde. In der Summe wären das, kombiniert mit Regeln für die Verteilung von Flüchtlingen, aber genau die richtigen Konzepte.
Europa lässt sich also aufschrecken durch die drohende Eskalation in Berlin; gut so. Doch ob das reicht für die (schnelle) Umsetzung, ist völlig offen. Auch nach diesem Wochenende bleiben nationale Maßnahmen an der deutschen Grenze, die sich in einem Domino-Effekt über Österreich und Tschechien unter ungewissen Folgen bis nach Südeuropa fortsetzen, sehr wahrscheinlich.
Christian Deutschländer
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