Es ist die spezielle Dramatik des Fußballs, dass ein winziger Moment, ein einziger Tritt gegen die Kunststoffkugel ein Spiel, das zum Desaster zu werden droht, in das pure Glück verwandeln kann. Toni Kroos ist das gelungen, mit einem zauberhaften Schuss – und das in allerletzter Minute. Doch es handelt sich hier um weitaus mehr als nur um ein spätes, siegbringendes Kunststück. Kroos rettete das während des Schweden-Spiels heftig zitternde Fußball-Deutschland vor einem noch nie erlebten Absturz, vor dem möglichen Vorrunden-Aus. Und zugleich schüttelte das deutsche Nationalteam die vielen Zweifel ab, die sie und die gesamte WM-Stimmung nach dem 0:1 zum Auftakt gegen Mexiko tonnenschwer zu belasten schien. Kroos’ Volltreffer sorgte endlich für den Stimmungsumschwung. Die WM-Party scheint jetzt erst richtig loszugehen für die Deutschen.
Dabei war schon gemutmaßt worden, im DFB-Team würde sich das aktuelle deutsche Tief widerspiegeln: Merkels Führungskrise, die Zerrissenheit von Politik und Gesellschaft. Doch nun zeigte Jogi Löws Elf genau die Tugenden, die schon die deutschen Mannschaften früherer Jahrzehnte auszeichnete: Teamgeist, Kampfkraft, Willensstärke. Sicher, Kroos war der Retter, aber spielentscheidend war vor allem, dass die Deutschen als selbstlos rackernde Einheit auftraten und damit eine brachiale Wucht entfalteten. Auf diese Weise könnte tatsächlich noch einiges zu holen sein bei dieser WM.
Armin Gibis
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