Asylstreit zwischen CDU und CSU

So viel Krise wie nie

von Redaktion

Seit gestern tickt die Uhr. Zwei Wochen gibt die CSU der Kanzlerin, um das – nach menschlichem Ermessen – unlösbare Asyl-Problem europäisch zu lösen. Ein Kompromissangebot? Eher ein knallhartes Ultimatum aus München. Merkel droht ihrem Innenminister Seehofer umgekehrt mit ihrer Richtlinienkompetenz, sprich seiner Entlassung. So viel Krise war nie. Ausgang offen. Die Republik im Schwebezustand. Ob die Kanzlerin stürzt, die Koalition platzt, CDU und CSU auseinanderfliegen, über all das wird in zwei Wochen zu verhandeln sein, wenn Angela Merkel vom europäischen Gipfel zurückkehrt. Wer das alles nur für eine Ungeheuerlichkeit unverantwortlicher bayerischer Polit-Kidnapper hält, der verdrängt, dass auch die eigene CDU ihrer Parteivorsitzenden eine zweiwöchige Frist gesetzt hat. Die Kanzlerin ist nicht so stark, wie ihre Berliner Vertrauten glauben machen wollen. Auch in ihrer eigenen Partei verlieren viele die Geduld.

Und doch: Man muss der Regierungschefin von Herzen alles Glück wünschen bei ihrem Versuch, die widerstrebenden europäischen Enden auf dem bevorstehenden EU-Gipfel zusammenzubinden. Weil sie ja Recht hat mit ihrer Sorge, dass die Asylfrage das Zeug hat, Europa zu entzweien und letztlich zu zerstören. Klar ist aber auch: Dass eine Einigung bis heute nicht gelungen ist, dass Griechenland und Italien Asylbewerber munter durchwinken, hängt eben auch mit Merkels bisheriger Bereitschaft zusammen, dass das von ihr regierte Deutschland die Last dieser Nichteinigung trägt. 60 Prozent aller Flüchtlinge in Europa kommen nach Deutschland. Das weiß man nirgendwo besser als im Grenzland Bayern. Wer das dauerhaft hinnimmt, riskiert, dass Deutschland, das größte und wichtigste Land, instabil wird. Auch das könnte Europa am Ende zerstören. Wer der CSU nur ein Manöver vor der bayerischen Landtagswahl unterstellt, springt zu kurz. Es geht um unendlich viel mehr. Es geht um die Bewahrung unserer Parteienlandschaft und darum zu verhindern, dass irgendwann auch bei uns – wie in Italien – Radikale anstelle der Moderaten die Politik bestimmen.

Es geht, anders als von manchen relativierend behauptet, bei der Frage von Zurückweisungen Asylsuchender an den deutschen Grenzen auch nicht um einen x-beliebigen von 63 Punkten in Seehofers Masterplan Asyl. Die Rückerlangung der Kontrolle darüber, welche und wie viele Zuwanderer ins eigene Land kommen, ist ein Akt der Rückgewinnung deutscher Staatlichkeit und steht damit völlig zu Recht im Mittelpunkt des erbitterten Streites darüber, wie dieses Land seiner humanitären Verantwortung gerecht werden kann, ohne sich selbst und seine Bürger zu überfordern. Auch eine Bundeskanzlerin kann diese Entscheidung nicht einfach nach Brüssel delegieren. Das hätten übrigens auch Helmut Kohl und Franz Josef Strauß nicht getan, deren europapolitisches Erbe der nordrhein-westfälische Ministerpräsident Laschet gerade fälschlich allein für die CDU reklamiert.

Knackpunkt im bitteren Unions-Schwesternstreit bleibt der von der CSU beschlossene, von Merkel und der CDU aber abgelehnte „Automatismus“, also das Scharfstellen von Zurückweisungen an der Grenze durch den Bundesinnenminister, falls der Erfolg beim EU-Gipfel ausbleibt – oder strittig ist, was die dortigen Vereinbarungen wert sind. Berlin darf von der CSU erwarten, dass sie nicht überzieht. Aber Merkel und die CDU müssen endlich zur Kenntnis nehmen, dass sie nicht dauerhaft an der Gefühlswelt der Mehrheit ihrer Bürger vorbeiregieren können, ohne Geister zu wecken, die man besser hätte ruhen lassen.

Georg Anastasiadis

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