Der Machtkampf zwischen CDU und CSU um die ASylpolitik hat auch international ein breites Echo in den Medien hervorgerufen. Es schreiben unter anderem:
Neue Zürcher Zeitung
„Die Kanzlerin wird versuchen, die Reihen noch fester hinter sich zu schließen. Sie will Asylbewerber erst dann zurückweisen lassen, wenn die Länder, in denen sie bereits Asyl beantragt haben, sie auch wieder aufnehmen. Ein möglicher Kompromiss könnte dem Vernehmen nach in einem gemeinsam beschlossenen Aufschub bestehen: Die CDU gestattet Seehofer die Zurückweisung, aber erst nach ein paar Wochen – um Merkel Zeit zu geben, ihre bilateralen Abkommen zu treffen. Ein solches Vorgehen würde womöglich beiden Seiten erlauben, das Gesicht zu wahren. Die CSU könnte nach wie vor versuchen, sich vor der Landtagswahl im Herbst mit einer harten Linie in der Einwanderungspolitik zu profilieren, und die Kanzlerin müsste keine 180-Grad-Wende vollziehen.“
De Tijd, Brüssel
„Wir können nicht ignorieren, dass die Bevölkerung hier und da in Aufruhr geraten ist. Auch wenn Hilfsorganisationen das gerne anders hätten, bei zu vielen Migranten muss die Demokratie einen Preis zahlen. Und der besteht darin, dass die örtliche Bevölkerung bei Wahlen Rechtsextreme an die Macht bringen und dass die EU auseinandergetrieben werden kann. Von diesem Punkt sind wir nicht allzu weit entfernt, wie sich unter anderem in Österreich, Italien und Osteuropa zeigt. Deshalb kann jetzt nur noch ein schwieriger und fragiler Kompromiss helfen. Er muss darauf beruhen, dass jene Hilfe erhalten, die sie brauchen, dass die Lasten der Flüchtlingsaufnahme verteilt werden und dass schließlich für all jene, die nicht in Lebensgefahr schweben, eine strenge Rückkehrpolitik gilt. Nur so kann einer besorgten Bevölkerung signalisiert werden, dass Europas Grenzen nicht offen sind und dass es ein Mindestmaß an Kontrolle gibt.“
La Stampa, Rom
„Es ist ein Treffen, das in einen besonderen Moment fällt: Alle Scheinwerfer sind auf das Thema Migration gerichtet, doch sowohl in Italien als auch in Deutschland stehlen die Innenminister die Show und machen sich zu Protagonisten einer Achse ,der Willigen‘, die Merkel wenig gefällt. Der Bewohner des Viminale (des Innenministeriums in Rom), Matteo Salvini, redet weiter über den Grenzschutz und Nichtregierungsorganisationen, ,die Italien als großes Flüchtlingscamp verstanden haben‘; sein Amtskollege in Berlin, der Chef der bayerischen CSU Horst Seehofer, streitet heftig mit der Regierungschefin über die Migranten, die er an der Grenze zurückweisen will, während Merkel Zeit bis zum EU-Gipfel Ende des Monats verlangt. ,Die Migrationskrise ist eine europäische Herausforderung, die eine europäische Antwort braucht‘, predigt sie – in einem Moment größter politischer Schwäche.“
Lidove noviny, Prag
„Selbst drei Jahre nach dem heißen Sommer von 2015, als sich die Flüchtlingswelle auf dem Höhepunkt befand, gibt es für das Problem der Migration keine Lösung – und auch ein Ende ist nicht in Sicht. Gerade deswegen droht die Einheit der größten deutschen Regierungspartei zu zerfallen. (…) Hinter dem Streit um die Aufnahme von Millionen Menschen versteckt sich in Wirklichkeit die langjährige Auseinandersetzung um die Zukunft der EU. Auch die deutsche Regierungskrise ist eine Krise der unterschiedlichen Sichtweisen auf die Integration. Die Frage der Grenzen ist eine Gemeinschaftsfrage, auf die Brüssel keine klare Antwort hat. (…) Die Frage ist nicht, ob wir ein gemeinsames Europa wollen oder nicht, sondern wie es aussehen soll und mit wem wir in diesem Europa sein werden.“
Aftenposten, Oslo
„Es wäre dramatisch für Europa, wenn der starke, stabilisierende Faktor, der Merkel gewesen ist, verschwände. Auf der anderen Seite ist Merkel schon lange geschwächt. Eine Erneuerung in der deutschen Politik kann auch positive Folgen haben. Das Dilemma ist, dass ein chaotischer Wechsel jetzt, mit folgender Neuwahl und verstärkter Unterstützung für die verantwortungslosen Rechtspopulisten, weder Deutschland noch Europa nutzt. Deswegen ist zu hoffen, dass Merkel diese Krise überlebt.“