Dürfen beamtete Lehrer streiken?

von Redaktion

Bundesverfassungsgericht entscheidet heute über vier Beschwerden

Karlsruhe – Lehrer im Angestelltenverhältnis dürfen für mehr Gehalt oder bessere Arbeitsbedingungen auf die Straße gehen und streiken. Für verbeamtete Lehrer gilt das nicht, denn Staat und Beamte stehen im besonderen gegenseitigen Treue- und Pflichtverhältnis. Heute entscheidet das Bundesverfassungsgericht über vier Verfassungsbeschwerden von Lehrern zum Beamten-Streikrecht.

In der mündlichen Verhandlung im Januar hatte der damalige Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU) vor weitreichenden Folgen gewarnt, sollte das Streikverbot aufgeweicht werden. Dass Beamte nicht streiken dürfen, sichere die Funktionsfähigkeit der Verwaltung, mahnte er. Rosinenpickerei dürfe es nicht geben. Von rund 800 000 Lehrern sind etwa drei Viertel Beamte.

Der dbb Beamtenbund und Tarifunion betont die besondere Bedeutung von Lehrern. „Der Staat ist in der Pflicht, den Zugang zu und die Vermittlung von schulischer Bildung flächendeckend und ohne Beeinträchtigung durch Arbeitskampfmaßnahmen zu gewähren“, so eine Stellungnahme. Auch Bayerns Beamtenbund-Chef Rolf Habermann warnt: „Schulpflicht bedeutet Unterrichtspflicht. Damit kann es kein Streikrecht für verbeamtete Lehrer geben.“ Streikfreie Schulen seien auch familienpolitisch „elementar wichtig“, sagte Habermann unserer Zeitung.

Die Bildungsgewerkschaft GEW als Unterstützerin der Beschwerden betont, dass sie gar kein pauschales Streikrecht für alle Beamte fordere. Das Grundrecht darauf dürfe aber Beamten mit nicht hoheitlichen Tätigkeiten nicht verwehrt werden.

„Das Streikrecht ist ein Menschenrecht, das den Lehrern bis heute vorenthalten wird“, sagt die Vorsitzende der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW), Marlis Tepe. Die GEW setze sich für eine Modernisierung des Beamtenrechts ein, damit der Staat den aktuellen Anforderungen gerecht werden könne. „Wir sind ge- aber entspannt, wie das Bundesverfassungsgericht entscheidet.“

Die Befürworter des Streikrechts berufen sich auch auf die Europäische Menschenrechtskonvention und den Straßburger Menschenrechtsgerichtshof, der nicht hoheitlich tätigen Beamten das Streikrecht zugesteht. Der Rechtswissenschaftler Matthias Pechstein sieht die Unterscheidung in zwei Arten von Beamten allerdings kritisch. Wenn Beamte gegen den Gesetzgeber streiken dürften, gäbe es keine Rechtfertigung mehr für ihre staatliche Alimentation.  Sönke Möhl

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