Die Krux mit dem Wahlrecht

Groß, größer, Bundestag

von Redaktion

Von Maximilian Heim

München – Der Bund der Steuerzahler ist vermutlich der spaßbefreiteste Verein Deutschlands, aber mit seinen Nörgeleien liegt er oft richtig. Kürzlich haben die selbst ernannten Kämpfer gegen verschwendete Steuergelder mal wieder nachgerechnet. Das Objekt ihrer Kalkulation war der deutsche Bundestag. Das Ergebnis: Die deutlich gestiegene Zahl der Abgeordneten verursacht Mehrkosten von 60 Millionen Euro. Jährlich.

Seit Herbst finden unter der Reichstagskuppel nämlich stolze 709 Abgeordnete Platz. Rekord in der Geschichte der Bundesrepublik. Eigentlich soll das Parlament aus 598 Abgeordneten bestehen. Verantwortlich für die zusätzlichen Mandate ist das komplizierte System aus Überhangs- und Ausgleichsmandaten, durch das alle Fraktionen einige Abgeordnete mehr erhalten.

Das große Parlament ist nicht nur teurer. Es erschwert auch die Abläufe und erfordert viel zusätzliche Kommunikation. Der überparteiliche Tenor nach der Wahl lautete deshalb: Wir haben verstanden. Rasch wolle man reagieren, das Wahlrecht überarbeiten.

Aber nach Informationen unserer Zeitung ist seither wenig passiert. Zwar gibt es inzwischen einen Arbeitskreis unter Leitung von Bundestagspräsident Wolfgang Schäuble. Jede Fraktion schickt einen Vertreter, man trifft sich circa einmal im Monat. Im Berliner Flurfunk ist allerdings zu hören, dass die Teilnehmer noch dabei sind, ihre zum Teil sehr konträren Ansichten vorzutragen.

Wie heikel das Thema ist, merkt man auch daran, wie die verschiedenen Pressestellen mit dem Thema umgehen. Die Grünen schicken ein paar wachsweiche Zitate – von „wollen ernsthaft eine Verständigung erreichen“ bis „wird kein leichtes Unterfangen“. Die FDP erklärt eine Verkleinerung des Bundestags zum Ziel, allerdings ohne konkreter zu werden. Die CDU verweist auf die Vertraulichkeit der aktuellen Gespräche. Von SPD, AfD und Linken gibt es trotz mehrerer Nachfragen und großzügiger Antwortfrist keine Reaktion.

Viele Beobachter weisen übrigens darauf hin, dass die Parlamentarier für die Reform des Wahlrechts besser nicht selbst zuständig wären. Der Greifswalder Politik-Professor Hubertus Buchstein schlägt vor, die Überarbeitung an eine Versammlung zu delegieren. Seine an ein Beispiel aus Kanada angelehnte Idee: 160 ausgeloste Bürgerinnen und Bürger könnten mit Experten aus Justiz und Wissenschaft diskutieren und erarbeiten, wie eine das Parlament verkleinernde Reform aussehen könnte.

Das mag charmant klingen. Aber eine solche Lösung ist hierzulande extrem unwahrscheinlich. Das gilt auch für einen anderen zuletzt diskutierten Aspekt des Wahlrechts. Vor der Bundestagswahl hatten die vier damals im Parlament vertretenen Fraktionen erklärt, die Legislatur von vier auf fünf Jahre verlängern zu wollen. Auch diese Frage ruht aber inzwischen wieder. Parlamentspräsident Schäuble ist ein Gegner des Projekts. Und im Koalitionsvertrag von Union und SPD findet sich auch nichts in diese Richtung.

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