Trump sagt Treffen mit Kim ab

Das große Missverständnis

von Redaktion

Am Ende seines ansonsten vor Bockigkeit und Drohgebärden strotzenden Briefes schreibt der US-Präsident einen Satz von großer Wahrheit: Diese verpasste Chance sei ein trauriger Moment in der Geschichte. Natürlich sei nicht er, Donald Trump, sondern der andere, Kim Jong Un, für das Scheitern des Treffens verantwortlich. Aber das stimmt so nicht. Schuld ist ein großes Missverständnis, das in einer Phase fast surrealer Euphorie niemand sehen wollte. Es lässt sich auf ein Wort reduzieren: Denuklearisierung.

Niemand konnte erwarten, dass Kim sein über viele Jahre entwickeltes Atomprogramm einfach so aus der Hand gibt, ohne nennenswerte Gegenleistung. Trump ging wohl trotzdem davon aus und stellte Maximalforderungen, statt zu verhandeln. Dass Kim unter Denuklearisierung allenfalls eine Stilllegung des Programms und zudem einen Abzug der US-Truppen aus Südkorea versteht, scheint dem US-Präsidenten erst jetzt aufgegangen zu sein. Das wäre allerdings kein Deal nach seinem Geschmack. Trump will nicht reden, er verlangt Kapitulation.

Mit seiner Absage entfacht er nach der Aufkündigung des Iran-Abkommens, seiner Jerusalem-Entscheidung und dem Handelskonflikt mit China nun mutwillig eine weitere Krise. Dass am Treffen mit Kim jede Menge Hoffnungen hingen, dass manche in Südkorea sogar von einer Wiedervereinigung mit dem Norden träumten, scheint Trump herzlich egal zu sein. Und jetzt? Könnte eine neue Eiszeit drohen, vielleicht Schlimmeres. Trumps Sicherheitsberater John Bolton fantasierte noch im Februar von einem Erstschlag gegen Nordkorea. Der Iran-Kurs hat gezeigt, wie groß sein Einfluss auf den Präsidenten ist.

Marcus Mäckler

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