Ein bisschen ist Ralf Stegner ja das linke Pendant zu Alexander Dobrindt. Wie der CSU-Landesgruppenchef gilt der SPD-Vize aus dem hohen Norden als Mann der klaren Worte. Im Interview mit unserer Zeitung richtet er eine klare Warnung an die Union, sich an die Koalitionsvereinbarung zu halten.
-Herr Stegner, während der GroKo-Debatte in der SPD hieß es: Kein weiter so! Und jetzt läuft doch alles so weiter wie bisher.
Wir sind beim Fahrt aufnehmen. Andrea Nahles ist erst ein paar Wochen im Amt. Wir müssen definitiv eine Schippe drauflegen, wenn es darum geht, die Unterschiede klarzumachen. Die Union schlägt die alte Strategie ein, Vereinbartes auszusitzen – etwa beim Rückkehrrecht von Teilzeit in Vollzeit. Da sagen wir klar: Vertrag ist Vertrag. Wir haben nicht umsonst vereinbart, zur Halbzeit Bilanz zu ziehen. Vertragsbruch dulden wir nicht.
-Einige in der SPD fordern bereits, nach zwei Jahren Schluss mit der Koalition zu machen.
Man muss die Herren Spahn und Seehofer warnen, nicht nur ihre Egoismen in Interviews aufzuarbeiten, sondern sich um Pflege, Sicherheit und Entlastung der Beitragszahler zu kümmern. Man wird zur Halbzeit auch bewerten müssen, ob die Union das eigentlich kann mit dem Regieren.
-Hätte die SPD den Mut zu sagen: Das war’s?
Wir wollen die volle Legislatur. Aber wenn die Union nicht vertragstreu ist, scheppert es halt. Ein großer Teil unserer Mitglieder – und ich auch – haben in der Koalitionsfrage mit „Ja, aber“ gestimmt.
-Die Wähler jedenfalls goutieren die GroKo nicht. Die Umfragen zeigen teils dramatisch nach unten.
Ich habe keine rosarote Brille auf – das wird eine gewaltige Herausforderung. Wir müssen klar machen, wo sich Union und SPD unterscheiden. Gerechte Steuerpolitik geht mit denen nicht. Für eine wirklich moderne Sozialpolitik müssten wir deutlich mehr tun. Beim bezahlbaren Wohnen machen CDU und CSU nur das Allernötigste, in der Europapolitik stehen sie voll auf der Bremse. Wem diese Themen wichtig sind, muss SPD wählen.
-Innerparteilich geht man nicht pfleglich miteinander um. Kevin Kühnert beschwert sich, dass Olaf Scholz so espritlose Reden im Bundestag halte.
Die Jusos sind dazu da, den eigenen Laden ein bisschen anzutreiben. Da sollte man nicht empfindlich sein. Für einen Hanseaten war das im Bundestag doch geradezu übersprudelnde Leidenschaft.
-Sie haben gerade die Herrn Dobrindt und Seehofer erwähnt, die sich derzeit sehr pointiert äußern. Ist das für die SPD zur eigenen Profilbildung nicht sogar hilfreich?
Ich habe noch nie gefordert, dass Mutti die Buben jetzt zur Ordnung rufen soll. Die Kanzlerin ist mit ihrer CSU-Stiefschwester schon genug geschlagen. Das gönne ich ihr. Die Unterschiede sind glasklar. Mit uns gibt es solchen Unsinn nicht, den Herr Dobrindt aus Angst vor der AfD von sich gibt – von der konservativen Revolution bis zur Abschiebe-Industrie. Und wir laufen denen auch nicht hinterher. In Norddeutschland sagt man: Wer in den Misthaufen hineingreift, riecht auch danach.
-In Bayern wird gerade das neue Polizeigesetz hitzig diskutiert . . .
Ich war ja auch einmal Innenminister und bin wirklich für Sicherheit und eine vernünftig ausgestattete Polizei. Aber was die Staatsregierung hier macht, gleicht der Militarisierung der Polizei. Und dann die CSU-Arroganz gegenüber den zehntausenden Demonstranten, die Sorge um den Rechtsstaat haben. Eigentlich ist das ein Anti-Bevölkerungsgesetz. Wenn sogar die Gewerkschaft der Polizei das kritisiert . . .
-Der Polizeipräsident ist sehr angetan.
Fragen Sie mal die Polizisten auf der Straße! Wer vor Überstunden kaum noch ein und aus weiß, der will bestimmt nicht mit Handgranaten durch die Stadt rennen. Der braucht mehr Kolleginnen und Kollegen! Wirklich: Ich staune über den handwerklichen Murks in der neuen Söder-Regierung – beim Psychiatriegesetz war es ja nicht anders.
-Der Fairness halber: Beides waren Erbstücke der Seehofer-Regierung.
Aber ich dachte, Markus Söder ist nicht der Pförtner der CSU, sondern der Regierungschef. Und er hat sich die Themen zu eigen gemacht – und noch das Kreuz obendrauf gesetzt.
-Sie kennen Markus Söder schon lange. Mögen Sie ihn?
Meine Sympathie in Bayern gilt zu hundert Prozent Natascha Kohnen, die ist die beste Wahl im Oktober. Alles andere ist relativ zu sehen. Markus Söder ist vielleicht angenehmer als Herr Dobrindt oder der famose „Dr.“ Scheuer. Als mitfühlender Sozialdemokrat lässt sich feststellen: Immerhin musste Söder nicht als Prinz Charles der CSU enden.
Zusammengefasst von Mike Schier