Rom – Die Bilder sprechen Bände. Während die Delegationen von Lega und 5-Sterne-Bewegung unter den schweren Kristalllüstern des Quirinalspalastes triumphierend in die Kameras grinsen, wirkt die Miene von Staatspräsident Mattarella versteinert. Kein Scherzen mit den Fotografen, kein Lächeln. Europas Albtraum wird wahr: In Rom übernehmen das systemkritische Movimento 5 Stelle und die rechtsextreme Lega die Macht. Damit steht ein tiefgreifender Kurswechsel ins Haus. Beide Kräfte gelten als antieuropäisch und haben den Stabilitätspakt und die Maastricht-Kriterien, also die vertraglichen Grundlagen des Euro, infrage gestellt.
Zwar wurden manche Positionen im Koalitionsvertrag abgeschwächt, doch beruhigen dürfte das die EU-Partner kaum. Brüssel und Paris richteten bereits scharfe Mahnungen an die Regierung in spe, so auch EVP-Fraktionschef Manfred Weber, der vor einem „Spiel mit dem Feuer“ warnte.
Zu spüren ist die Verunsicherung auch an den Finanzmärkten. Die Mailänder Börse ist seit Tagen im Minus, der Zinsaufschlag für italienische Staatsanleihen steigt sprunghaft in die Höhe. Das verteuert die Refinanzierung des hoch verschuldeten Landes. Doch derartige ökonomische Zusammenhänge scheinen weder Lega-Chef Matteo Salvini noch Movimento-Führer Luigi di Maio geläufig zu sein.
Genau diese Besorgnis teilt Staatspräsident Mattarella. Seine Strategie, die Verhandlungen ins Leere laufen zu lassen, um dann eine Übergangsregierung seines Vertrauens ins Amt zu hieven, hat nicht verfangen. Noch bis vor ein paar Tagen sah es so aus, als könnte die Einigung zwischen di Maio und Salvini an der Frage des Regierungschefs platzen. Doch am Pfingstsonntag kam der Durchbruch: Die Lega akzeptierte, dass die Fünf Sterne als stärkste Kraft den Premier stellen darf. Dort einigte man sich in den Führungsgremien auf den 54-jährigen Rechtsanwalt Giuseppe Conte, im Schattenkabinett für Justiz zuständig.
Politisch ist der Einser-Jurist, der unter anderem an der US-Eliteuniversität Yale studierte, ein unbeschriebenes Blatt. Zwar ist die akademische Laufbahn Contes beachtlich; doch hatte der Apulier niemals zuvor ein politisches Amt inne und verfügt nicht mal über ein Parlamentsmandat. Ob ihn Mattarella als Kandidaten akzeptiert, ist bis zur Stunde offen. Der Präsident, so verlautete hinterher, wolle sich erstmal beraten und für seine Entscheidung Zeit lassen. Noch vor wenigen Tagen hatte er bekräftigt, dass Italien einen Regierungschef „von hohem politischen Profil“ brauche. Genau das trifft auf Conte, obwohl weltgewandt und gebildet, nicht zu.
In einer Rede vor Anhängern warnte Matteo Salvini das Staatsoberhaupt davor, den gemeinsamen Kandidaten abzulehnen: „Wir werden nicht zulassen, dass jemand sein Veto gegen den Willen der Mehrheit einlegt.“ Salvini selbst will wie erwartet das Innenministerium übernehmen, um die Immigration zu stoppen. Luigi di Maio hingegen, der schweren Herzens auf das Amt des Premiers verzichten musste, muss sich mit dem Arbeitsministerium trösten. Das Außenamt leitet künftig der Karriere-Diplomat und jetzige Chef des Rüstungskonzerns Fincantieri, Giampiero Massolo. Das wichtige Finanzressort soll an den Euro-Kritiker Paolo Savona gehen.