Bonn – Sigmar Gabriel hat erst ein paar Minuten gesprochen, da entrollen Studenten auf der Empore des Hörsaals zwei Plakate. „Gegen Iran-Siggi“ und „Für Israel“ steht darauf. Sie werfen Flugblätter in den Saal und rufen: „Herr Gabriel, warum liefern Sie Waffen an die Türkei? Warum arbeiten Sie mit Putin zusammen?“ Für sie ist der Mann da vorn offenbar noch amtierender Außenminister.
Gabriel lässt sich nicht aus der Ruhe bringen. „Ich hoffe, Sie kommen in mein Seminar“, schmunzelt er. Eine der Protestierenden entgegnet: „Wir sind nicht zugelassen worden!“ – „Dann trage ich Sie persönlich ein und hole Sie ab!“, verspricht Gabriel.
Vor rund einem Monat war er noch Vizekanzler und Außenminister. Jetzt wird er an der Universität Bonn als „Bundesminister des Auswärtigen a.D.“ angekündigt. Dennoch steht da noch eine ganze Reihe von Kameras. Berliner Verhältnisse in Bonn – dieses eine Mal noch. Alle wollen sehen, wie er den Macht-Entzug bisher verkraftet hat.
350 Leute sind in den holzvertäfelten Hörsaal gekommen, nicht nur Studenten, sondern auch Senioren, die Zeit haben. „Mich würde mal interessieren, was ein Herr Gabriel für so einen Vortrag bekommt“, sagt ein ergrauter Herr. „Und ob er es als Nebentätigkeit anmeldet“, ergänzt sein Sitznachbar. Dabei hat Gabriel schon vor Monaten klargestellt, dass er das ehrenamtlich macht.
Das letzte Mal, als er an der Uni Bonn gewesen sei, habe er im Hofgarten demonstriert, sagt der ehemalige SPD-Vorsitzende. Und dann, an die Studenten gerichtet: „Sie haben die Chance, erst Außenminister und dann Vorleser an der Uni zu werden, das ist die gerechte Strafe für die Jugendsünden.“ Im weiteren Verlauf wird es dann sehr seriös. Gabriel ist spürbar darum bemüht, seine Ausführungen theoretisch zu untermauern, so wie es sich gehört an einer Uni. Er zitiert Dichter und Politologen, auch historische Staatsmänner wie Fürst Metternich und Lord Palmerston. Der ganz große Bogen. Für manchen zu groß. Hier und dort leuchten Han- dys unter dem Tisch auf.
Wer auf Sticheleien gegen die Berliner Aktiven gehofft hat, wird enttäuscht: Gabriel macht ganz auf Elder Statesman. Eine Stunde redet der Dozent. Am Ende gibt es Applaus. Christoph Driessen