Deutschland und die Syrien-Debatte

Ohne Einfluss

von Redaktion

Dem Trümmerhaufen namens Bundeswehr sei Dank: Von Deutschland erwartet in Syrien niemand irgendetwas. Anders als der Freizeit-Außenpolitiker zu Guttenberg meint, muss die Kanzlerin deshalb gar nicht krampfhaft nach „Ausreden“ dafür suchen, dass sie den Militärschlag am Wochenende nur mit warmen Worten unterstützte. Deutschland versetzt das in die glückliche Lage, seiner Lieblingsübung nachkommen zu dürfen und an der Seitenlinie mal wieder alles besser zu wissen. Also warnt Bundespräsident Steinmeier (wen eigentlich?) davor, „Russland insgesamt, das Land und seine Menschen zum Feind zu erklären“. Und in den Talkshows fordert eine erregte Politikerschar „runde Tische“ statt alliierter Raketen. Dagegen ist nichts zu sagen, sofern sich davon auch das bisher eher beratungsresistente Damaszener Mordregime und seine Moskauer Sponsoren beeindrucken ließen.

Es stimmt ja: 100 Tage Dialog sind besser als ein Tag Krieg, und Raketen ersetzen keine Strategie. Nur verfügt Berlin darüber ebenso wenig wie die Regierungen in Washington, London oder Paris. Die Aufnahme einer halben Million syrischer Flüchtlinge – weitere dürften hinzukommen, sagt Russlands Außenminister Lawrow mit drohendem Unterton – ist noch kein Plan zum Schutz der Menschen vor dem Giftgas des Diktators. Das macht die Entscheidung Merkels, sich in Syrien nicht an einer ebenso symbolischen wie verzweifelten Strafaktion zu beteiligen, nicht falsch. Es gibt gute Gründe dafür, ein Schlachtfeld zu meiden, auf dem der zweimalige Weltkriegsgegner und Nachbar Russland steht. Nur sollte man sich die eigene Sonderrolle, die letztlich der selbst gewählten Einflusslosigkeit geschuldet ist, nicht schon wieder als Ausdruck einer überlegenen deutschen (Friedens-)Moral schönreden.

Ja, es ist Zeit, die von Steinmeier beklagte „galoppierende Entfremdung“ zwischen Russland und dem Westen zu beenden. Das wäre leichter zu bewerkstelligen, wenn Deutschland die nun geforderte „Vermittlerrolle“ nicht als Sonderweg begreift. Wenn auch SPD und CSU beherzigten, wie wichtig es ist, dass die Familie der Demokratien jetzt beisammenbleibt. Und wenn nach der jüngsten Zuspitzung auch in Moskau die neue Einsicht reifte, dass eine Entkrampfung des Verhältnisses vorteilhaft wäre. Ein Anfang wäre es schon, wenn der Kreml die unabhängigen Chemiewaffeninspektoren in Syrien endlich ihre Arbeit tun ließe.

Georg Anastasiadis

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