Das Politikfeld Pflege eignet sich nicht für rabiate Achterbahnfahrten. Zumindest in der Außenwirkung ist genau das zu erleben. Bis wenige Tage vor der Bundestagswahl 2017 verschlief die Politik die Nöte der Pflegenden und der Angehörigen fast komplett. Nun das extreme Gegenteil: Sechs Monate vor der Landtagswahl legt die Staatsregierung ein 500-Millionen-Programm auf. Im September wird sie den pflegenden Angehörigen je einen 1000-Euro-Zuschuss überreichen. Dieser Termin ist so dermaßen offensichtlich auf die Wahl ausgerichtet, wie es selbst in Bayern selten zu erleben ist. Der Beobachter staunt: Welches dieser beiden Extreme ist nun besser?
Kein Zweifel: Die weniger schlechte Lösung ist, das Thema mit Schwung anzugehen. Der Gedanke, dass der Staat die zuhause erbrachte Pflegeleistung von rund 360 000 Menschen honorieren kann, ist richtig. Wichtiger sind andere Schritte: dass die Zahl der Pflegeplätze steigt, dass die Kurzzeitpflege erheblich anwächst, die Angehörige entlasten kann. In beiden Bereichen schiebt die Staatsregierung langsam etwas an. Da schrumpft ihre Kompetenz dann aber schon: Beim Kampf um Fachkräfte – also gegen Ausbildungsabbrüche, für Tarifgehälter, für Fachkräfte aus dem Ausland, gegen Bürokratiewahn – sind der Bund und die Tarifpartner gefordert. Am Ende werden bundesweit Milliarden-Mehrausgaben stehen (und höhere Beiträge zur Pflegeversicherung). Der Sonntagsreden-Konsens, für die Pflege müsse man mehr tun, wird da noch auf harte Proben gestellt werden.
Christian Deutschländer
Sie erreichen den Autor unter
Christian.Deutschlaender@ovb.net