Neumünster – Die Kunde des prominenten Zugangs macht am Sonntagnachmittag schnell die Runde in der JVA Neumünster. „Free, free Puigdemont“ hallt es aus den Zellen der Gefangenen bis vor die Anstaltstore. Wenig später ist es dann soweit. In einem grauen Kleintransporter mit abgedunkelten Scheiben bringen Beamte den Separatistenführer Carles Puigdemont in das Gefängnis in Schleswig-Holstein.
Hier endet vorerst die Reise des ehemaligen katalanischen Regionalpräsidenten, den die spanische Zentralregierung Ende Oktober nach dem Unabhängigkeitsreferendum und dem Beschluss zur Abspaltung Kataloniens abgesetzt hatte. Unmittelbar danach hatte sich Puigdemont nach Brüssel abgesetzt. Spanien beantragte zwar einen europäischen Haftbefehl, zog ihn aber Anfang Dezember überraschend zurück. In Belgien und anderen Ländern konnte Puigdemot sich frei bewegen.
Am Freitag jedoch eröffnete der Oberste Gerichtshof Spaniens ein Strafverfahren gegen Puigdemont und andere Regionalpolitiker. Gegen den früheren Regionalpräsidenten und weitere sechs Separatisten, die sich ins Ausland abgesetzt hatten, wurden neue Haftbefehle erlassen. Puigdemont hielt sich zu diesem Zeitpunkt in Finnland auf, am Freitag hielt er eine Rede an der Universität Helsinki. Danach wollte er über Dänemark und Deutschland nach Belgien zurückkehren. Finnland hatte sich auf spanischen Antrag bereit erklärt, Puigdemont zu verhaften – doch die Entscheidung kam zu spät.
Puigdemont habe sich für das Auto entschieden in der Hoffnung, Kontrollen an den Flughäfen zu vermeiden, sagte sein Anwalt Paul Bekaert. Wahrscheinlich sei die deutsche Polizei von ihren spanischen Kollegen vorgewarnt worden, sagte Bekaert, der Puigdemont weiter vertreten will. Am Sonntag um 11.19 Uhr erwischt es den 55-Jährigen dann in Deutschland.
Laut „Kieler Nachrichten“ erwägt Puigdemont offenbar, einen Asylantrag in Deutschland zu stellen. „Sollte er dies tun, wird der Asylantrag wie jeder andere vom Bundesamt für Migration (Bamf) geprüft werden“, sagte der Sprecher des schleswig-holsteinischen Innenministeriums der Zeitung. Allerdings stünden die Chancen nicht gut: „Strafverfolgung beziehungsweise die Vollstreckung eines europäischen Haftbefehls hat Vorrang vor einem Asylverfahren.“ Letztlich obliege die Entscheidung aber der Generalstaatsanwaltschaft und dem Bundesamt.
Die Bundesregierung meldete sich am Sonntag stundenlang nicht zu Wort – das sei Sache der Justiz, hieß es schlicht. Justizministerin Katarina Barley (SPD) sagte dann am frühen Abend in der ARD knapp, sie wolle in das rechtliche Verfahren nicht durch voreilige Äußerungen eingreifen.
Zu diesem Zeitpunkt protestierten in Barcelona schon zehntausende Menschen. Dabei kam es zu Zusammenstößen mit der Polizei, die dabei auch Schlagstöcke einsetzte. Nach Angaben der Gesundheitsbehörde wurden mindestens 33 Menschen verletzt. Es gab drei Festnahmen. Katalanische Medien berichteten zudem, die Polizei hätte Warnschüsse abgegeben. Auf ihrem Weg zum deutschen Konsulat hielten die Demonstranten Transparente mit der deutschen Aufschrift „Befreit unseren Präsidenten. Seid nicht Mithelfer“ hoch.
Auch in der deutschen Opposition stieß die Festnahme auf Kritik. Die Linksfraktion sprach von einer „Schande“. Die Grünen-Europapolitikerin Franziska Brantner erklärte, es handele sich letztlich um einen „innerspanischen, politischen Konflikt“. FDP-Fraktionsvize Alexander Graf Lambsdorff sprach von einem Dilemma. Puigdemonts Festnahme sei rechtlich nicht zu beanstanden, jedoch schaffe sie „politisch große Probleme“. Deutschland werde damit „Partei im innerspanischen Verfassungskonflikt“.