Die Baustelle der Regierung

von Redaktion

In einem neu geschaffenen Ministerium will Ilse Aigner die Schwachstellen der Staatsregierung anpacken

München – Vermutlich ist sie einfach viel zu freundlich, um sich möglichen Ärger anmerken zu lassen. „Also ich freue mich darauf, das wird sehr spannend und ist ein großes Ressort mit viel Bewegungsmöglichkeiten“, sagt Ilse Aigner. Die 53-Jährige, die ursprünglich gerne Ministerpräsidentin geworden wäre, zuletzt aber auch nichts gegen das schöne Finanzministerium am Odeonsplatz einzuwenden gehabt hätte, muss ganz von vorne anfangen. Auf sie wartet die undankbarste Aufgabe des neuen Kabinetts. Aber wohl auch die spannendste: das neue Ressort Bauen, Wohnen und Verkehr.

Am Mittwochnachmittag steigt Ilse Aigner, eben hat sie als neue Ministerin ihre Ernennungsurkunde bekommen, ins Auto und fährt – ja, wohin eigentlich? Ins Wirtschaftsministerium. Vorerst hat sie in ihrem alten Büro Asyl gefunden, bespricht sich dort mit ihrem neuen Staatssekretär Josef Zellmeier und den beiden neuen Amtschefs: Brigitta Brunner, bislang Regierungspräsidentin von Oberbayern, und Helmut Schütz, dem bisherigen Chef der Obersten Baubehörde.

Wo soll das neue Haus sein Zuhause finden? Selbst enge Mitarbeiter zucken noch mit den Schultern. Dabei hätte Aigner mit ihrer Urkunde vom Prinz-Carl-Palais zu Fuß in ihr neues Haus laufen können. Gleich gegenüber – mit Blick auf die Staatskanzlei – liegt die Oberste Bayerische Baubehörde. An dem nicht gerade spektakulären Bürogebäude soll ganz bald ein neues Schild aufgehängt werden: „Ministerium für Bauen, Wohnen und Verkehr“.

Aigner übernimmt damit – zu Beginn des aufziehenden Wahlkampfes – eine der größten Baustellen der Staatsregierung. Aus Nichts muss sie binnen Wochen ein schlagkräftiges Haus aufbauen, das der Opposition den Wind aus den Segeln nimmt: Die Wohnungsnot wächst im ganzen Freistaat, im Großraum München ist sie bereits eklatant. Dazu das Chaos im öffentlichen Nahverkehr, der Streit um Fahrverbote. Zuletzt erlebte die Staatsregierung, und auch Markus Söder selbst, bei diesen Themen einige unschöne Stunden im Landtag.

Aigner und Söder – die Verbindung reicht Jahrzehnte in die JU-Zeit zurück, die Spannungen auch. Aigners Rolle bei dieser Kabinettsbildung stand jedoch nicht nur wegen der persönlichen Vorgeschichte unter besonderer Beobachtung. Schließlich war es auch an ihr, als Bezirksvorsitzende die Interessen Oberbayerns zu vertreten. Der Rauswurf ihrer guten Freundin Ulrike Scharf dürfte sie schmerzen.

Am Dienstagabend um 19 Uhr hatte sich Söder mit Aigner zusammengesetzt, um über den Zuschnitt ihres Hauses zu diskutieren. Davor hatte sie bereits mit Karolina Gernbauer, der wichtigsten Beamtin in der Staatskanzlei, gesprochen. Söder ist es wichtig, dass sich seine Neukreation nicht wochenlang im Findungsprozessen verliert, sondern rasch an die Arbeit geht. Aus dem Innenministerium kommt die Verkehrsabteilung, aus dem Finanzressort die Immobilienverwaltung. Das Budget ist mit 3,4 Milliarden Euro ordentlich. Die Aufgabe auch.

Schon in seiner ersten Regierungserklärung nach Ostern plant Söder einen größeren Aufschlag in Sachen Nahverkehr. Auch mit der Gründung einer staatlichen Baugesellschaft, die bis 2020 zusätzliche 2000 Wohnungen bauen soll, dürfte es fix gehen. Die Staatsregierung will auch auf die Landeshauptstadt München zugehen. Ziel: ein Wohnungspakt, bei dem neue Flächen als Bauland ausgewiesen werden sollen.

Eine oberbayerische CSU-Chefin, die bei der Wahl im Großraum München ein starkes Ergebnis braucht, ist für diese Aufgabe prädestiniert. Trotzdem ist es ein Kaltstart: Gleich heute muss Aigner im Landtagsplenum sprechen: Zweite Lesung zum Gesetzentwurf zur Änderung des Bayerischen Wohnraumförderungsgesetzes und des Bayerischen Wohnungsbindungsgesetzes. Willkommen in der neuen Welt. Mike Schier

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