In einem Alter, in dem sich andere längst aus dem Berufsleben zurückziehen, mutet sich Horst Seehofer in Berlin noch einmal ein Großprojekt zu. Sein erstes Interview als designierter Bundesinnenminister lässt einen neuen Ansatz erahnen: Anders als Vorgänger Thomas de Maizière, der gerade beim Ruf nach einer konsequenten Asylpolitik eher als juristischer Bedenkenträger auffiel, will Seehofer dem Thema Sicherheit ein Gesicht geben.
Der Ansatz ist richtig, denn vermutlich gehört es zu den größten Fehlern des letzten Merkel-Kabinetts, dass viele Bürger nie das Gefühl bekamen, in Berlin würden ihre Sorgen ernst genommen. Der Kanzlerin der Willkommenskultur fehlte ein starkes Gegengewicht, das auf die Einhaltung von Recht und Ordnung pochte. Das Ergebnis war eine Regierung in Schieflage. Deshalb wird sich vor allem in Seehofers Ressort nun zeigen, ob die neue GroKo ihr Versprechen „kein weiter so“ wirklich ernst meint.
Jenseits aller Psychologie muss Seehofer, auf den in Berlin keineswegs nur begeisterte Mitstreiter warten, möglichst rasch handfeste Erfolge nachweisen – nicht zuletzt wegen der nahenden Landtagswahl in Bayern. Zum entscheidenden Kriterium dürfte die konsequente Abschiebung von Straftätern und Gefährdern werden, die bislang zu oft an juristischen Problemen scheiterte. Vielleicht entwickelt ja der Nicht-Jurist und Bauch-Politiker Seehofer mehr Durchschlagskraft als sein Vorgänger. Kurios: Dass ausgerechnet jetzt in der SPD eine „ehrlichere“ Diskussion in Migrationsfragen eingefordert wird, könnte die Arbeit des CSU-Vorsitzenden erleichtern.
Mike Schier
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