Bayern staunt über seine neue prominente Nichtregierungsorganisation CSU. In Berlin kann die Partei noch nicht regieren, solange sich die SPD sammelt, in München will sie derzeit nicht regieren. Ist das groteske Machtvakuum in der Landespolitik anders zu erklären?
Statt des Problems, zwei Ministerpräsidenten zu haben, hat Bayern derzeit keinen. Seehofer ist entweder in Berlin oder krank (nichts davon ist ihm vorzuwerfen). Söder strampelt im Wartestand. Jede seiner Ideen droht ihm als Angriff auf den Alten vorgeworfen zu werden. Beispiel Flughafen: Seehofers Zusage, zeitnah mit der Stadt zu reden und die Entscheidung einzuleiten, ist nicht eingehalten; Söder schiebt den Beschluss nun eigenmächtig noch weiter nach hinten. Um wirklich mit neuen Projekten zu gestalten, läuft ihm derweil die Zeit davon. Wer massiv Sicherheitsbehörden umbauen will (Grenzpolizei, Asyl-Landesamt), wer Sozialleistungen neu strukturieren will (Pflegegeld), braucht Vorlauf, sonst läuft er bis zum Wahl-Oktober in eine Glaubwürdigkeitsfalle. Mit Aschermittwochsreden lässt sich ein Staat nicht lenken.
Seehofer will den Wechsel hinter die Kanzlerwahl schieben. Nun gut – aber muss Bayern so lange ruhen? Verschärfend wirkt die Schein-Harmonie der zwei Herren: Ihr Verhältnis ist derart fragil, dass sie sogar jetzt tagelang nicht miteinander reden. Die CSU-Fraktion, eigentlich das Machtzentrum, wartet zu. Nach 60 Jahren selbstbewusster Regierung ist das eine ungewöhnliche Phase.
Christian Deutschländer
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