München – Kann man die Flüchtlingspolitik der Bundesregierung mit der Bibel rechtfertigen, wie es der Linke-Fraktionschef Dietmar Bartsch versucht hat? Oder ist die Aufnahme hunderttausender Migranten eine Aufgabe, die uns „der Herrgott auf den Tisch gelegt hat“, wie es Kanzlerin Merkel in Anlehnung an einen Kirchenfürsten formulierte?
Der Heidelberger Theologie-Professor Herbert Stettberger will diesen Versuch, die Bibel politisch zu instrumentalisieren, nicht akzeptieren. Er präsentierte jetzt im Münchner Presseclub sein neues Buch „Frau Merkel hat mich eingeladen“, in dem er und zahlreiche andere Autoren das Thema Flüchtlingspolitik betrachten. Stettberger geht es darum, die tiefe gesellschaftliche Spaltung bei diesem Thema zu überwinden, in dem er der „moralisierenden Gesinnungsethik“ eine „verantwortungsbewusste Empathieethik“ gegenüberstellt. Fakten und Vorstellungen sollen voneinander getrennt, die Debatte versachlicht und so manches Missverständnis ausgeräumt werden. Stettberger führt ein Beispiel an: So herrsche laut Umfragen in der Bevölkerung die Meinung vor, die meisten Flüchtlinge kämen aus Syrien. Dem sei aber in Wirklichkeit nicht so. 2015 waren es ein Drittel, 2017 nur noch ein Viertel, die vor den Bomben und Kugeln des Bürgerkriegslands flohen.
Das Buch analysiert die komplexe Thematik aus vielen Perspektiven: Vom Regierungshandeln (der Chefredakteur unserer Zeitung, Georg Anastasiadis, kritisiert Merkels in einem Beitrag für ihre Äußerung, es liege „nicht in unserer Macht, wie viele nach Deutschland kommen“), den Auswirkungen auf unsere Wirtschaft, die Sozialsysteme oder die Schulen – bis hin zu dem Gebrauch unserer Sprache.
Merkel-Kritiker werden das Buch mit Lust verschlingen. Merkel-Anhänger können sich daran abarbeiten. aw
Herbert Stettberger: „Frau Merkel hat mich eingeladen.“ Lit Verlag, 401 Seiten, 24,90 Euro.