Dunkle Ahnungen nach dem dritten Bier

von Redaktion

CSU erwartet mieses Ergebnis für Seehofer, und staunt dann über seine 84 Prozent – Delegierte bauen Vorstand um

Nürnberg – Man hat schon frenetischeren Jubel erlebt. Horst Seehofer nickt nur, verkündet, er nehme seine Wiederwahl an, bleibt sitzen. Auf Glückwünsche seiner Parteifreunde reagiert er mit einem freundlichen Lächeln. Es sind eh nicht so viele – die katzbuckelnden Jungabgeordneten, die unbedingt Staatssekretär werden wollen, müssen ja jetzt alle zu Markus Söder. Einmal nur ist Seehofer überrascht: Als eine launige Glückwunsch-SMS von SPD-Chef Martin Schulz eintrifft.

Keine Euphorie, sondern Disziplin – das ist dem Ergebnis angemessen. Mit 83,7 Prozent wird Seehofer als CSU-Vorsitzender wiedergewählt. Oberflächlich betrachtet, ist das sein schlechtestes Resultat, angesichts der monatelangen Grabenkämpfe passt das aber schon. Nach dem dritten Bier beim Delegiertenabend hatten erfahrene Parteifreunde ihrem Chef ein viel übleres Resultat prophezeit: von „bestenfalls 70“ unkten mehrere. Er selbst hatte sogar überlegt, bei 50 bis 60 Prozent die Wahl gar nicht anzunehmen. Mit diesem Resultat also kann er leben, weder schwächt es ihn für die Berlin-Gespräche, noch kann es ihn übermütig machen, sich den Deal mit Markus Söder nochmal zu überlegen.

„Ich weiß, dass der Wandel zur Demokratie gehört“, sagt Seehofer in seiner Bewerbungsrede, die sich überwiegend mit seinem nahenden Rückzug als Ministerpräsident befasst, „aber wenn es einen selbst betrifft, ist ein Stück Wehmut dabei“. Leise ist seine Rede angelegt, sie zündet nur an den Stellen, an denen er Söder lobt. Die knapp 1000 Delegierten zollen ihm mit mittellangem Beifall Respekt für den Generationenwechsel in der CSU, fast drei Minuten lang. Sie lassen einfach beiseite, dass er nicht ganz freiwillig erfolgt.

Im Schatten von Seehofers Wiederwahl sortiert sich die CSU-Spitze in der Nürnberger Messehalle neu. Emotional wird Parteivize Barbara Stamm aus diesem Amt verabschiedet. Seehofer würdigt ihre Rolle in einem hintersinnigen Satz: „Wenn sie einen Brief schreibt, schrillen die Alarmglocken in der Staatskanzlei – weil man weiß, dass sie bekommt, was sie will.“ Stamm wird bis Herbst 2018 Landtagspräsidentin bleiben, ob sie dann nochmals auf der CSU-Liste fürs Parlament kandidiert, will sie noch ein paar Wochen abwägen.

Seehofers neue Vizes für die nächsten zwei Jahre: Manfred Weber, vorerst einer der Verlierer des Söder-Deals, der sich auch nur mit knapp 85 Prozent zufrieden geben muss; dazu Angelika Niebler (80,5), Kurt Gribl (90,4) und neu Dorothee Bär (79,2) sowie die noch nicht durch Parteiarbeit aufgefallene bayerische Gesundheitsministerin Melanie Huml (87,6 Prozent). Wichtig sind die Posten nicht, aber prestigeträchtig. Und manchmal auch für eine Überraschung gut: So kann der Augsburger Lokalpolitiker Gribl in Berlin die Bundesregierung in einer Nebenrolle mit verhandeln, während gestandene Bundestagsabgeordnete das Prozedere in der Zeitung verfolgen.

Den Trend zur Verjüngung setzen die Delegierten auch bei den hinteren Plätzen durch. In den Sammelabstimmungen werden gestandene Funktionäre, darunter Staatssekretär Bernd Sibler, aus dem Vorstand geworfen. Junge Kandidaten ohne Staatsamt landen weit vorn. Die Oberbayern in der Parteispitze: Ilse Aigner, Gabriele Bauer, Daniela Ludwig, Ludwig Spaenle, Siegfried Walch, Stephan Mayer, Florian Herrmann und Reinhard Brandl. cd/dor

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