Washington – Seit Tagen ließen Insider aus dem Weißen Haus durchblicken, dass sich Donald Trump mit einem spektakulären Schritt auf das Glatteis des Nahost-Konflikts wagen würde. Gestern machte der US-Präsident dann in einer kurzen Ansprache Ernst: Er erkennt erstmals formell Jerusalem als Hauptstadt Israels an – und weist das US-Außenministerium an, eine Verlegung der Botschaft von Tel Aviv nach Jerusalem in Angriff zu nehmen. Allerdings gibt es dafür kein festes Datum, und im Weißen Haus deutete man an, es könne durchaus drei bis vier Jahre – also die gesamte Amtszeit Trumps – dauern, bis hier die Absicht umgesetzt wird.
Bereits 1995 hatte der US-Senat mit großer überparteilicher Mehrheit die Regierung aufgefordert, die Botschaft nach Jerusalem zu verlegen – aber den Präsidenten auch jeweils sechsmonatige Verschiebungsfristen eingeräumt. Trumps Vorgänger machten von dieser Option angesichts der heiklen Materie immer wieder Gebrauch. Auch der jetzige Präsident will dies zunächst tun, bis Details der neuen Vertretung geklärt sind. Doch sein alles überlagernder Kernsatz lautete gestern: „Jerusalem ist die Hauptstadt Israels.“
In Telefongesprächen mit ausländischen Regierungschefs hatte Trump am Vortag noch versucht, um Verständnis für seinen Schritt zu werben, der gestern vor allem in der arabischen Welt und bei den Palästinensern heftige Proteste hervorrief. Auch das Kanzleramt in Berlin und vor allem Frankreich hatten sich bemüht, Trump von seinem brisanten Vorgaben abzubringen. Doch der US-Präsident fühlte sich seiner konservativ-christlichen Wählerbasis verpflichtet – und sah wohl auch die Chance auf einen weiteren Schienbeintritt in Richtung Barack Obama, unter dem es Israel und vor allem Benjamin Netanjahu in den letzten acht Jahren nicht leicht hatten.
Mitarbeiter Trumps hatten bereits zu Wochenbeginn abwiegelnd darauf hingewiesen, der Präsident werde mit der offiziellen Anerkennung Jerusalems als Hauptstadt Israels doch lediglich „eine historische und gegenwärtige Realität“ bestätigen. Die „Washington Post“ vermutete jetzt hinter den Motiven Trumps auch, dieser wolle die Reaktion und Belastbarkeit der Palästinenser austesten, um möglicherweise später einen erneuten Versuch zur Friedens-Vermittlungen zu unternehmen.
Einer der Kern-Kritikpunkte im Nahen Osten lautet jedoch: Washington habe sich als Vermittler in dem ohnehin schwierigen und seit langem brachliegenden Friedensprozess endgültig disqualifiziert. Hinzu kommt, dass Trump-Schwiegersohn und Berater Jared Kushner – den der Präsident mit einer Lösung des Nahost-Konflikts beauftragt hat – von Beobachtern als unqualifiziert für diese Herkules-Aufgabe angesehen wird.
Doch Trump gab sich gestern optimistisch, während er – auch mit Blick auf Obama – von „verfehlten Strategien der Vergangenheit“ sprach. Der neue Kurs sei „lange überfällig“ und auch im Interesse der USA, so der Präsident. Jerusalem sei „das Herz einer der modernsten Demokratien der Welt,“ wo Menschen aller Glaubensrichtungen – Juden, Christen und Muslime – leben könnten, formulierte Trump.
Über Details wie den genauen Grenzverlauf in Jerusalem und Siedlungsfragen müssten sich beide Seiten einig werden. Eine Zwei-Staaten-Lösung würden die USA dann unterstützen, so Trump, wenn es Israel und die Palästinenser so wollten. „Frieden ist möglich, wenn alle mitziehen“, so die Schlussbemerkung des US-Präsidenten gestern.