München – Markus Söder kennt das Gefühl, flehentlich auf einen Anruf vom Chef zu warten. Es war nach der Wahl 2003, der damals junge Landtagsabgeordnete hoffte auf die Beförderung zu irgendwas, aber Edmund Stoiber rief am entscheidenden Tag einfach nicht an. Nicht morgens, nicht mittags, nicht abends. Gegen 22 Uhr klingelte das Telefon, Stoiber war dran, wollte aber nur plaudern, legte nach einer halben Stunde wieder auf. Erst fünf Minuten später meldete er sich wieder bei Söder, er habe natürlich vorhin was vergessen: „Ich berufe Dich zum Generalsekretär.“
Einige von Söders 100 Fraktionskollegen werden die Zeit bis zum Frühjahr ähnlich bangend verbringen. Mit dem angekündigten Ministerpräsidenten-Wechsel ist der Weg frei für eine große Kabinettsumbildung. Sobald Horst Seehofer weicht, treten nämlich laut Verfassung automatisch alle Minister und Staatssekretäre zurück. Söder muss jeden Posten neu vergeben, auch wenn ja nur sein Finanzministerium frei wird.
Alle Spekulationen, wen er wohin berufen will, sind müßig – weder hat er bisher ein Konzept, das dürfte er frühestens über den Jahreswechsel entwickeln, noch kennt man Zusagen. Söder beteuert, nicht mal seinem engsten Vertrauter im Kabinett, Staatssekretär Albert Füracker, habe er etwas versprochen.
Die einzigen zwei formellen Regeln für sein erstes Kabinett: Die Verfassung erlaubt nur 18 Mitglieder. Und der Landtag muss jeder Berufung zustimmen. Informelle Regeln: Aus jedem Regierungsbezirk sollte mindestens ein Kabinettsmitglied stammen, um die Wähler dort nicht zu verprellen; Regionalproporz, den Seehofer erst verspöttelte, dann selbst auf die Spitze trieb. Außerdem soll der Frauenanteil (5 von 18) steigen.
Der Rest ist politische Wahrscheinlichkeitsrechnung. Als Innenminister dürfte Joachim Herrmann gesetzt sein, auf einem führenden Posten ihrer Wahl (Finanzen?) Wirtschaftsministerin Ilse Aigner. Zudem wird Marcel Huber, von dem wegen seiner zurückhaltenden, sachlichen Art Seehofer wie Söder denken, er wäre ihnen zugetan, im Kabinett bleiben. Ältere Minister wie Emilia Müller (Soziales), Helmut Brunner (Agrar) und ein paar Proporz-Staatssekretäre wackeln.
Söders Netzwerk in der Landespolitik ist gut bekannt. Es reicht von der Münchner CSU (Georg Eisenreich, Ludwig Spaenle) über fränkische Loyale bis hin zu Abgeordneten aus Oberbayern, etwa Florian Herrmann (Freising), Michaela Kaniber (Berchtesgaden), Ingrid Heckner (Altötting) oder Ernst Weidenbusch (München). In jenen Kreisen macht man sich teils große Hoffnung auf Posten oder wenigstens Pöstchen. Gäbe es da nicht das Wort vom Kreidl-Effekt: Der damalige oberbayerische Landtagsabgeordnete Jakob Kreidl hatte 2006/07 an vorderer Front an Stoibers Sturz mitgewirkt – die erhoffte Beförderung zum Staatssekretär verweigerte ihm Günther Beckstein aber. Auch Söder weiß, dass er sich mit allzu offensichtlichen Berufungen angreifbar machen würde. Allerlei Ergebenheitsadressen sind wirkungslos. Sogar wenn sie von Gesundheitsministerin Melanie Huml kommen, die beteuert, wie lange sie und Söder sich schon kennen.
Seehofer selbst wird anders als geplant nun keine Kabinettsumbildung mehr vornehmen. Er wollte eigentlich einen größeren Umbau, auch bei den Kompetenzen – etwa das Schul-/Hochschulressort wieder trennen und unter aktivere Führung stellen. Einen Neuzuschnitt wird sich Söder wohl für später aufheben wollen. cd