Vorwürfe gegen James Levine

Kultur des Wegschauens

von Redaktion

Jeder einzelne Fall, ob Schauspieler Kevin Spacey, Filmproduzent Harvey Weinstein oder nun Dirigent James Levine, ist anders gelagert. Das betrifft die Zahl der Missbrauchsopfer, die Vorgehensweise der Täter, die – auch das ist zu diskutieren – Schwere der Anschuldigungen und ihre Plausibilität. Und doch eint diese Beispiele ein Muster: Es ist das des Machtmissbrauchs und wie die Gesellschaft darauf reagiert.

Dass die Debatte um sexuelle Übergriffe nun auch die Musikszene erschüttere, wie es zur Affäre Levine heißt, ist eine wohlfeile Formulierung und falsch. Seit Jahrzehnten wurde über den US-Dirigenten geflüstert. Viele wussten etwas, doch dabei blieb es. Weil es sich die Entscheidungsträger mit einem Star nicht verscherzen wollten. Und weil unter den Opfern die Angst umging – auch davor, dass man ihnen keinen Glauben schenkt. Ein Skandal, gewiss. Doch skandalös ist nicht allein, was Widerlinge vollbrachten, sondern wie ihr Umfeld damit umging. Missbrauch rangiert bei diesen Wegschauern auf einer ähnlichen Kavaliersdelikt-Ebene wie Falschparken. Wenn es etwas Positives gibt an der Debatte, dann dieses: Opfer könnten und sollten sich ermuntert fühlen, nun ihrerseits die Täter zu entblößen.

Markus Thiel

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