Ministerpräsident Söder, CSU-Chef Seehofer

Aneinander gekettet

von Redaktion

Jede Partei geht anders mit Wahlniederlagen um: Die CDU stolpert mürrisch hinter ihrer Ich-wüsste-nicht-was-ich-anders-machen-sollte-Chefin Angela Merkel her. Die SPD dreht sich im Kreis und bejammert ihr Schicksal, jetzt doch regieren zu sollen. Und die CSU? Feuert ihren Ministerpräsidenten, zieht den Kampfanzug an und marschiert in die Schlacht um die Verteidigung ihrer heiligen Mehrheit. Gäbe es einen Demokratie-Preis, wo das Wort des Wählers noch etwas bewirkt – er ginge nach Bayern.

Mit der Doppelspitze Seehofer-Söder hat die CSU nach großem Drama, inklusive einem geheuchelten 100-Prozent-Happy-End, die wohl aussichtsreichste Formation gefunden: In Berlin soll ihr verschlagenster Fuchs Horst Seehofer Beute machen. Und in München fällt dem 18 Jahre jüngeren Markus Söder die enorm schwierige Aufgabe zu, die demokratische Rechte wieder in die Volkspartei CSU zu integrieren, ohne dabei den liberal und christlich gesinnten Flügel zu verlieren. Klar ist: Die Landtagswahl 2018 gewinnt nicht, wer der Kanzlerin am weitesten in die linke Mitte folgt. Sondern wer es schafft, das bürgerliche Lager, das in Bayern traditionell zwei Drittel der Stimmen erringt, für sich zu mobilisieren und den Aufstieg der AfD zu stoppen. Dafür bietet Söder zwar nicht die Gewähr. Aber immerhin eine Chance.

Viele in der Partei und außerhalb werden Söder in den nächsten Monaten nicht mehr wiedererkennen. Der Polarisierer muss, will er nicht scheitern, zum Teamspieler und Versöhner werden und Schwergewichte wie Joachim Herrmann, Ilse Aigner und Manfred Weber umarmen. Er muss, nachdem er in einem Kampf auf Biegen und Brechen die Partei unterworfen hat, viele zutiefst skeptische Bürger davon überzeugen, dass er trotz seiner Raubeinigkeit den charakterlichen Anforderungen des neuen Amts gerecht wird. Und er muss ein Arbeitsverhältnis mit Seehofer aufbauen, das so belastbar ist, dass es alle Berliner Versuche, die CSU zu spalten, übersteht. Das Schicksal – oder die Klugheit der Partei – hat die Erzfeinde in einer Doppelspitze aneinandergekettet und damit auch die beiden großen widerstrebenden Lager in einem Friedensprojekt vereint: Söder und Seehofer gewinnen entweder gemeinsam. Oder sie gehen gemeinsam unter – und mit ihnen die CSU.

Georg Anastasiadis

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