samstagsKolumne

Keine Angst vor einer Minderheitsregierung

von Redaktion

Wir haben uns das nicht gewünscht, aber Frau Merkel könnte als Kanzlerin einer CDU/CSU-Minderheitsregierung eine gute Zeit lang weiterregieren.

Die Väter des Grundgesetzes haben dafür bestens vorgesorgt. Die Wiederwahl der Kanzlerin kann im dritten Wahlgang mit einfacher Mehrheit der abgegebenen Stimmen erfolgen.

Umgekehrt hat das Grundgesetz in Art. 67 vorgesehen, dass diese einfache Mehrheit der Stimmen nicht genügt, um einem gewählten Bundeskanzler das Misstrauen des Parlamentes auszusprechen. Das geht nur mit der absoluten Mehrheit der Stimmen. In der gegenwärtigen Parteienkonstellation im Bundestag ist es praktisch ausgeschlossen, dass eine solche absolute Mehrheit gegen Frau Merkel zustande kommt.

Eine Minderheitsregierung hat es schwerer, weil sie bei neuen Gesetzen immer wieder um die erforderliche Mehrheit kämpfen muss. Aber bei dem unverzichtbaren Haushaltsgesetz ist das Grundgesetz nach Art. 111 wieder sehr regierungsfreundlich. Auch ohne ein genehmigtes Haushaltsgesetz dürfen alle Ausgaben zunächst weiter getätigt werden, die notwendig sind, um die Aufrechterhaltung der normalen Haushaltsführung zu gewährleisten.

Es ist durchaus ein Vorteil, wenn die Gesetzgebungsmaschine langsamer läuft. Seit Jahren produziert sie doch viel zu viele Gesetze, die im Bundestag gar nicht mehr intensiv nach Pro und Contra diskutiert werden. Das einfache Durchwinken von Gesetzen, deren Text die Abgeordneten allzu oft kaum lesen konnten, haben wir nun lange genug schmerzvoll erlebt. Und wenn sich für einzelne Gesetze unterschiedliche Mehrheiten finden sollten, wäre das auch nicht so schlimm.

Hätte es bereits in der Vergangenheit eine Minderheitsregierung in der jetzigen Parteienstruktur des Parlamentes gegeben, dann wären uns wohl manche eigenmächtige Entscheidungen der Bundeskanzlerin erspart geblieben. Man denke nur an die Nacht- und Nebelaktion vom 10. auf den 11. Mai 2010, als die Bundeskanzlerin sich vom französischen Präsidenten Sarkozy zwingen ließ, den Maastrichter Vertrag zu brechen, um die französischen Banken zu retten. Ohne eine sichere Mehrheit im Bundestag im Rücken hätte die Bundeskanzlerin so eine Entscheidung nicht treffen können. Vielmehr hätte sie die Bundestagsdebatte über diesen Vorgang abwarten müssen.

Auch andere unüberlegte Ad-hoc-Entscheidungen der Kanzlerin wären unter einer Minderheitsregierung wohl kaum zustande gekommen. Zu denken ist an die nach Fukushima getroffene überhastete Entscheidung zum Atom- ausstieg. Der hätte im Bundestag intensiv diskutiert werden müssen. Das Gleiche gilt für die Entscheidung, Migranten ohne Grenzkontrollen aus sicheren Drittländern nach Deutschland einreisen zu lassen.

So gesehen muss man sich fast mehr fürchten vor der Fortsetzung der großen Mauschel-Koalition, als vor einer ehrlichen Minderheitsregierung, bei der Diskussionen wieder in den Bundestag gebracht werden, wo sie hingehören. Die Bundeskanzlerin Angela Merkel spricht immer gerne von Alternativlosigkeit aller ihrer Entscheidungen. Bei einer Minderheitsregierung würde sie an die Zügel genommen und gezwungen, sich mit möglichen besseren Alternativen, die der Bundestag befindet, auseinanderzusetzen.

Die Väter des Grundgesetzes jedenfalls hatten nichts gegen eine Minderheitsregierung und haben dafür gesorgt, dass so etwas gut funktionieren kann.

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