Berlin – Mit heiserer Stimme gratulierte Martin Schulz dem Arbeitgeberpräsidenten Ingo Kramer. Der Chef des Arbeitgeberverbands BDA war am Tag vorher in seinem Amt bestätigt worden. „Nächsten Donnerstag mache ich es Ihnen nach“, sagte Schulz. Aber: „100 Prozent mache ich nicht mehr, bekomme ich auch nicht mehr“, sagt der SPD-Chef voraus.
Eine Woche bevor Schulz auf dem SPD-Parteitag wieder für das Spitzenamt antritt, wirkt die SPD unter seiner Führung tatsächlich ziemlich ungeordnet in der aktuellen Regierungskrise. Und an diesem Donnerstag könnte sich anbahnen, wie es weitergeht in Deutschland.
Vor dem heutigen Spitzentreffen von CDU-Chefin Angela Merkel, CSU-Chef Horst Seehofer und Schulz bei Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier versuchen die Sozialdemokraten, den Preis für ihre mögliche Regierungsbeteiligung in die Höhe zu treiben. Schulz bezeichnete den Alleingang von CSU-Agrarminister Christian Schmidt, der in Brüssel gegen den Willen der SPD für die weitere EU-Zulassung des umstrittenen Unkrautgifts Glyphosat gestimmt hatte, als skandalös und schwere Belastung. „Das hat zu einem massiven Vertrauensverlust innerhalb der geschäftsführenden Bundesregierung und zwischen den Parteien geführt“, sagte Schulz. Der rechte SPD-Flügel verlangte von Kanzlerin Angela Merkel (CDU), als „vertrauensbildende Maßnahme“ den Weg für das von der Union blockierte gesetzliche Rückkehrrecht von Teil- auf Vollzeit freizumachen.
Die CSU ließ die Sozialdemokraten jedoch abtropfen. Landesgruppenchef Alexander Dobrindt sagte, seit neun Wochen erkläre die SPD täglich, unter keinen Umständen regieren zu wollen. „Da klingen die aktuellen Rufe nach vertrauensbildenden Maßnahmen sehr nach hoher Schauspielkunst.“
Schulz aber legte weitere Forderungen vor: Frauen sollten so viel verdienen wie Männer. Soziale Berufe wie Pflege oder Krankenversorgung müssten besser bezahlt werden. Das Verbot einer Kooperation des Bundes mit Ländern und Kommunen in der Bildung sollte abgeschafft werden.
Der SPD-Chef sagte gestern, das Ergebnis der Spitzenrunde mit Steinmeier sei offen. Indirekt kritisierte der gescheiterte Kanzlerkandidat Merkel: „Es reicht nicht, auf Sicht zu fahren.“ Der stellvertretende SPD-Chef Olaf Scholz wurde deutlicher. Er warf der Kanzlerin eine „eklatante Führungsschwäche“ bei den gescheiterten Jamaika-Sondierungen vor.
Merkel selbst war gestern per Video-Grußbotschaft beim Arbeitgebertag vertreten. Die Kanzlerin versprach der Wirtschaft, an einem wachstumsfreundlichen Kurs festhalten zu wollen. Die Lohnzusatzkosten sollten unter der Marke von 40 Prozent gehalten werden, das ehrgeizige Ziel der Vollbeschäftigung sei erreichbar. „Das wird mich auch in den kommenden Gesprächen mit der SPD leiten“, sagte Merkel, die derzeit auf Afrika-Reise ist.
Merkels Parteifreund, der nordrhein-westfälische Ministerpräsident Armin Laschet, scheint angesichts der Lage schon in Nostalgie zu verfallen. Laschet lobte die Zwischenergebnisse der gescheiterten Jamaika-Sondierung. „Ich wäre froh, wenn wir in den nächsten Wochen in den Verhandlungen ein solches großartiges Ergebnis hinkriegen könnten“, sagte er mit Blick auf die SPD.