EU-Afrika-Gipfel

Merkel auf dem Schicksals-Kontinent

von Redaktion

von Jörg Blank, Ansgar Haase und Jürgen Bätz

Abidjan – Es ist späte Nacht, als Angela Merkel auf dem Internationalen Flughafen von Abidjan empfangen wird. Der Präsident der Elfenbeinküste, Alassane Ouattara, ist persönlich erschienen, um die Kanzlerin zum EU-Afrika-Gipfel zu begrüßen. Nicht jedem wird so eine Ehre zuteil. Küsschen rechts, Küsschen links – Ouattara will Merkels Hand gar nicht mehr loslassen. Die lächelt entspannt dazu.

Hier, auf dem afrikanischen Kontinent, gilt das Wort der Kanzlerin noch etwas. Gar nicht zu vergleichen mit der Lage zu Hause. Der 39-Stunden-Marathon nach Abidjan könnte da fast ein Erholungstrip für Merkel sein. Wenn nur eines der Hauptthemen nicht so eng mit ihrem politischen Schicksal verbunden wäre: Flüchtlinge und Migration.

Damit Deutschland und Europa nicht vor einer weiteren großen Flüchtlingskrise stehen, suchen Merkel und mehr als 50 andere Staats- und Regierungschefs aus der EU und der Afrikanischen Union (AU) nach besseren Perspektiven für junge Menschen. Es geht um Bildung, Investitionen und Jobs. Bis 2050 wird sich die Bevölkerung Afrikas laut Prognosen auf 2,5 Milliarden Menschen verdoppeln.

An schneller Erfolge glaubt die Kanzlerin indes nicht. Fortschritte gibt es nur langsam. Merkel setzt auf kleine Schritte: Sie dringt auf weniger Korruption, bessere Regierungsführung und will Bedingungen für Investitionen und fairen Handel verbessern.

Aber das „Modell Merkel“ stößt an seine Grenzen, wie das Beispiel Libyen zeigt. Die Kanzlerin muss sich von Menschenrechtlern vorwerfen lassen, lieber Sklaverei, Folter und Vergewaltigung in dem Land zu akzeptieren, als noch mehr Menschen illegal über das Mittelmeer nach Europa kommen zu lassen. Zum Auftakt des EU-Afrika-Gipfels zeigt sich Merkel bestürzt über die Lage und kündigt an, den Kampf gegen Schlepperbanden stärker zu unterstützen. Frankreichs Präsident Emmanuel Macron bringt sogar einen möglichen Militäreinsatz ins Spiel.

Es gibt für Afrika keine Patentlösung: Die Probleme der 55 Staaten des Kontinents sind viel zu unterschiedlich. Staaten wie Somalia, Nigeria oder Mali kämpfen mit islamistischem Terrorismus. Der Kongo droht angesichts von Rebellionen auseinanderzubrechen. Staaten wie Südafrika, Kenia, Ghana oder die Elfenbeinküste sind wirtschaftlich aufstrebende Schwellenländer, Südafrika ist Mitglied bei den G-20-Staaten.

Wie der auch nach Abidjan gereiste französische Präsident Macron sieht Merkel eine Ursache für die Schwierigkeiten Afrikas in der europäischen Kolonialgeschichte. Macron hat sich am Dienstag in Burkina Faso für die Verbrechen der französischen Kolonialzeit entschuldigt.

Merkels Credo: Wer Afrika befrieden will, muss dessen Regionalorganisationen ernst nehmen. Zollfreiheit, Freihandel, Freizügigkeit der Mobilität sind die Stichworte. Genauso wie transnationale Verkehrswege oder die Energieversorgung. Welcher europäische Unternehmer investiert schon in Ländern, in denen es täglich stundenlange Stromausfälle gibt. Deswegen setzen sich Merkel und EU für eine bessere Infrastruktur ein.

Merkel und Macron verfolgen in ihrer Afrikapolitik ein ähnliches Ziel, haben aber unterschiedliche Voraussetzungen. Paris habe eine ganz andere Tradition im französischsprachigen Westafrika, dazu robuste Einsatztruppen, die im Kampf gegen den Terror etwa in der Sahelzone viel stärker eingreifen als die Deutschen mit ihrer 1000-Mann-Mission in Mali. Dennoch stimmen sich beide Länder eng ab in ihrem Engagement für Sicherheit und Zukunft für die afrikanische Jugend. Der Mali-Einsatz werde in Paris geschätzt, genauso das deutsche Engagement in Niger und auch bei der Asylpolitik gebe es eine enge Zusammenarbeit.

Merkels Bredouille daheim in Deutschland hat sich auch bis nach Abidjan rumgesprochen. Viele fragen danach. Die geschäftsführende Kanzlerin gibt sich dann betont optimistisch. Für 39 Stunden ist Berlin ja auch weit weg.

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