Jamaika

Vertrauen braucht Zeit

von Redaktion

Berlin – Die letzte Woche endete nicht gut – und dann kam auch noch Martin Schulz. Der SPD-Chef, der nicht mehr regieren will, gab den koalitionswilligen Vertretern von Union, FDP und Grünen am Wochenende ein paar Gehässigkeiten mit. „Der kleinste gemeinsame Nenner ist bei denen das oberste Prinzip“, ätzte der SPD-Vorsitzende in einem Zeitungsinterview. „Selbst über Minimalpapierchen“ breche zwischen den möglichen Koalitionspartnern Streit aus. Dabei gehe es „jetzt schon weniger um Inhalte als um Posten“. Und überhaupt „Wenn die schwarze Ampel scheitert, wird es Neuwahlen geben müssen.“

Man darf davon ausgehen, dass solche Worte bei den Sondierern auf wenig Begeisterung stoßen. Die Furcht scheint nicht unbegründet, dass es für die ohnehin schon zerzausten Unions-Schwestern CDU und CSU bei Neuwahlen noch schlimmer kommen könnte – und die AfD sich wieder die Hände reibt. Wer den Platz in einer möglichen Koalition vorzeitig verlässt, bekommt dafür den Schwarzen Peter zugeschoben.

Was steckt also hinter dem Krach über Steuern, Haushalt, Klima und Migration? Zunächst: Kein Mensch geht in Verhandlungen und zeigt dem Verhandlungspartner gleich auf, wo er Kompromisse machen würde. Es war also eine erwartbare Positionierung mit Maximalforderungen. Daher hat es eine gewisse Konsequenz, wenn sich Union und FDP freuen, dass man sich auf die „Schwarze Null“ verständigt hat. Und es ist auch nicht überraschend, dass die Grünen, die sich in dieser Konstellation die Zuständigkeit für Soziales auf die Fahnen geschrieben haben, die Finanzierbarkeit in Zweifel ziehen. Noch wisse man gar nicht, ob die Steuerschätzung vom 7. bis 9. November genug Geld bringt – laut „Spiegel“ kann man allerdings mit 14 Milliarden Euro Überschuss in diesem Jahr rechnen.

Kanzlerin Angela Merkel (CDU) hat am Donnerstag rechtzeitig eine Auszeit genommen, um die Gräben nicht tiefer werden zu lassen. Jenseits des Pokerns und Taktierens fehlt etwas Entscheidendes: Vertrauen. Und „Vertrauen braucht Zeit“. FDP-Fraktionsvize Alexander Graf Lambsdorff wirbt in der „Welt am Sonntag“ für Geduld. Und er appelliert an Grüne wie Liberale gleichermaßen, aufeinander zuzugehen.

Doch so richtig ermutigend sind die Signale bislang nicht. „Es wäre gut, wenn sich auch CSU und FDP darauf verständigen, dass der Wahlkampf vorbei ist“, sagt die Verhandlungsführerin der Grünen, Katrin Göring-Eckardt. FDP-Chef Christian Lindner kontert: „Wenn die Grünen sich bei den zukünftigen Gesprächen nicht bewegen, bleibt Jamaika ein Luftschloss.“ Und: „Mit den grünen Plänen droht eine Überforderung bei der Integration, unsichere Energie, neue Schulden und die finanzielle Überlastung der Mittelschicht.“ Ähnlich äußert sich CSU-Landesgruppenchef Alexander Dobrindt.

Heute geht es weiter. Die Vorsitzenden der vier Parteien sollen zunächst die Lage und das weitere Vorgehen besprechen. Nun sollen vor allem soziale Themen diskutiert werden. Schon im Vorfeld geben Lobbyisten – Arbeitgeber, Gewerkschafter und Rentenversicherer – Tipps, was alles im Koalitionsvertrag zu stehen habe. Die Verhandlungen macht das nicht leichter. Sicher ist nur: Am Ende brauchen alle Parteien Punkte, die sie der eigenen Basis als Erfolg verkaufen können.  mm

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