Nach dieser Klatsche vom Wähler könne es kein „Weiter so“ geben, beteuern Politiker seit Sonntagabend landauf landab. Gemessen daran ist es schon ein ziemlich drolliges Schauspiel, wie die Wahlverlierer an ihren Ämtern kleben: Schulz, Seehofer und Merkels treuer Knappe Kauder – Pattex überall. Und die Kanzlerin weiß noch nicht mal, was sie an ihrer Politik ändern solle. Sagt sie jedenfalls. Ob es das ist, was die erzürnten Wähler besänftigt?
Eine Reaktion nach der Maxime, es muss was passieren, aber es darf nix geschehen, ist der falsche Neuanfang nach der Wahlkatastrophe. Als erster zu spüren bekommen dürfte das SPD-Chef Schulz. Ein bisschen Rücktritt (vom angepeilten Fraktionsvorsitz) reicht nicht: Nach dem Chefsessel in der Fraktion wird sich Andrea Nahles, die Trümmerfrau der SPD, schon noch nehmen, was sie braucht, um die Genossen als mächtige Oppositionsführerin in künftige Schlachten zu führen: den Parteivorsitz. Das Rüstzeug – Machtwillen, Fachkompetenz, Skrupellosigkeit – hat sie, das Mundwerk auch. Schulz ist ein SPD-Chef auf Abruf.
Klug wäre es gewesen, wenn auch die CDU dem Wähler zumindest ein kleines Signal gegeben hätte, dass sie verstanden hat. Stattdessen leistete sie sich mit der halb missglückten Wiederwahl Kauders gleich die nächste Blamage. Noch viel wichtiger als personelle Konsequenzen aber sind jetzt inhaltliche Korrekturen. Die sich nur äußerlich ungerührt gebende Kanzlerin weiß, dass sie darum nicht herumkommt, soll ihre Kanzlerschaft nicht in einem Fiasko enden. Sie muss der CSU, über die sich gerade die ganze Republik so schrecklich ereifert, entgegenkommen. Nicht (nur), um Seehofer zu einem dringend benötigten Erfolg zu verhelfen. Sondern um ihrer selbst willen. Sonst meutern ihre eigenen Ost-Landesverbände, die sich derzeit noch hinter den Bayern verstecken. Es brodelt, vor allem in Sachsen, wo die CDU unfassbare 16 Prozent verloren hat und von der AfD als stärkste Partei abgelöst wurde.
Ob es, wenn sich CDU und CSU bei ihrem Treffen am 8. Oktober auf einen konservativeren Kurs verständigen, noch zu Jamaika kommen kann, steht in den Sternen. Interessant immerhin, dass sich der alte Fuchs Schäuble, der die Nase immer gut im Wind hat, schon auf das Zustandekommen der Koalition eingestellt hat. Sonst hätte er kaum sein von der FDP beanspruchtes geliebtes Finanzministerium gegen das Amt des Bundestagspräsidenten getauscht.
Georg Anastasiadis
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