Für Stoßgebete muss sich Alexander Dobrindt künftig nur mal kurz umdrehen: Eine stattliche hölzerne Madonna hängt hinter seinem Schreibtisch im neuen Büro. Beistand kann er brauchen: Als neuer Landesgruppen-Vorsitzender der CSU in Berlin ist ausgerechnet er einer der Chefunterhändler für die künftige Jamaika-Koalition mit den von ihm verhassten Grünen. Was tun? Und wie geht es weiter in der verunsicherten CSU? Dobrindts erstes Interview im neuen Amt, das er bis zur Regierungsbildung parallel zum Posten des Verkehrsministers führt.
-Herr Dobrindt, können Sie Ihr Glück kaum fassen, bald endlich mit Jürgen Trittin regieren zu dürfen?
Ich habe keine romantischen Gefühle bei Jamaika. Das wird noch lustig werden mit denen. Die Grünen haben in ihre Sondierungsgruppe Trittin und Kretschmann gesteckt, die sich auf dem Parteitag noch verspottet und beschimpft haben – das sind eher zwei Parteien als eine. Die Grünen sollten vor Sondierungsgesprächen ihr Innenverhältnis klären.
-Ihr Innenleben muss auch die Union sortieren…
Ja, wir haben Klärungsbedarf mit der CDU. Ich will wissen, ob die CDU noch unsere inhaltliche Schwester ist. Dazu zählen ganz grundlegende Fragen – die Agenda, die uns der Wähler am 24. September geschrieben hat. Ganz oben stehen darauf die Flüchtlings- und Migrationspolitik, Sicherheit im umfänglichen Sinne, innere wie äußere Sicherheit, und auch soziale Sicherheit und Rente.
-Sie sind ja generell kein Samtpfötchen als Verhandler. Drohen Sie: Entweder Bayernplan als Teil des Regierungsprogramms – oder Neuwahlen?
Neuwahlen sind keine Lösung. Es ist ein Trugschluss zu glauben, man könnte so lange wählen, bis einem das Wahlergebnis passt. Wir haben einen klaren Regierungsauftrag und werden mit der CDU klären, dass der stark am Bayernplan hängt. Wir sind kein 16. Landesverband der CDU.
-Glauben Sie denn wirklich an ein buntes Jamaika-Bündnis?
Ich kann mich noch gut daran erinnern, wie Jürgen Trittin 2013 am Ende der Sondierungen plötzlich ein Milliardenpaket von Steuererhöhungen auf den Tisch gelegt und damit alles zum Scheitern gebracht hat. Ich bin mir nicht sicher, ob das nicht auch dieses Mal wieder von den ultralinken Teilen der Grünen versucht wird.
-Interessanterweise gibt es in der FDP Bewegung bei der Obergrenze.
Die Erkenntnis der FDP, dass die Integrationsfähigkeit eines Landes eine Obergrenze hat, finde ich bemerkenswert. Gut, wenn die FDP die CSU-Position übernimmt. Ich werde jetzt hier aber keine Koalitionszusagen machen.
-Die scheidende SPD-Arbeitsministerin Nahles sagt: Jetzt gebe sie der Regierung richtig „auf die Fresse“…
Ach was. Der Boxkampf wird doch eher zwischen Nahles und Sahra Wagenknecht in der Opposition stattfinden. Man darf drauf gespannt sein.
-Sie wollen die Landesgruppe als neuer Chef lauter positionieren. Wird das eine schrille Minderheit im Bundestag?
Die CSU hat den Anspruch, das ganze politische Spektrum von der Mitte bis zur demokratischen Rechten zu vertreten. Man kann ein großes Fragezeichen machen, ob es neben der CSU überhaupt noch eine andere echte Volkspartei in Deutschland gibt. Genau den Anspruch werden wir im Bundestag vertreten. Wir sind klar in der Sprache und konservativ in unseren Werten.
-Sie persönlich waren für viele im Berliner Betrieb eine Hassfigur. Ist das noch steigerungsfähig?
Ich habe jetzt die Erfahrungen von neun Jahren als Generalsekretär und Bundesverkehrsminister. Mein Bekanntheitsgrad hat keinen Nachholbedarf. Polarisierung war ständig mein Geschäft. Ich werde jetzt auch nicht in Harmonieterror verfallen.
-Mittwoch waren Sie in München, um Horst Seehofer in der Sitzung der Landtagsfraktion beizustehen. Ist der Putsch abgeblasen?
Es gibt keine Personaldiskussion. Wir haben eine riesige Verantwortung in Berlin wahrzunehmen, um mit unseren Inhalten eine Regierung zu bilden. Das ist die größte Herausforderung für die CSU seit Jahrzehnten nach einem für uns in der Tat erschreckenden Wahlergebnis. Wir werden den Wählerauftrag zur Regierungsbildung gemeinsam mit Horst Seehofer abarbeiten.
-Legen Sie sich fest: Übersteht er den Parteitag Mitte November?
Wir haben gemeinsam Wahlkampf geführt und tragen gemeinsam Verantwortung. Meine Unterstützung hat er.
-Sein härtester Rivale greift nicht offen an. Eine Stilfrage: Wie steht Markus Söder derzeit der Schafspelz?
Mein Eindruck ist, dass die ganze Partei gerne mehr Offenheit in der Auseinandersetzung an der Spitze hätte. Konkurrenzverhältnisse sind Normalität, nicht nur in der Politik. Damit kann man offen und fair umgehen.
Interview: Christian Deutschländer und Mike Schier