Theo Waigel trat 1998 nach seinem als Niederlage empfundenen Bundestagswahlergebnis von 47,7 Prozent als CSU-Chef zurück, Huber/Beckstein nach ihren 43,4 Prozent bei der Landtagswahl 2008. Streibl (1993) und Stoiber (2007) wurden rein vorsorglich gestürzt, weil die Partei um ihre absolute Mehrheit bei der Landtagswahl bangte. Nach allen Gesetzen der politischen Schwerkraft also müsste der Premium-Wahlverlierer Seehofer mit seinen 38,8 Prozent schon in den CSU-Himmel zu Franz Josef Strauß selig entschwebt sein.
Dass er dennoch noch auf Erden weilt und sich eigenem Bekunden zufolge nicht als „dead man walking“ fühlt, ist einem ziemlich banalen Umstand geschuldet: Noch mehr als einen untoten Seehofer fürchten Teile der Partei einen lebendigen Markus Söder. Solange auch diesem nicht so recht zugetraut wird, die absolute Mehrheit der CSU im nächsten Herbst zu verteidigen, sehen einige mächtige Bezirksfürsten die Inthronisation des von ihnen wenig geliebten Franken noch nicht als unabwendbar an.
Das kann sich ändern, gewiss. Einen Vorgeschmack darauf könnte die heutige Sitzung der unberechenbaren Landtagsfraktion geben. Für den Moment aber werden die Rücktrittsforderungen gegen Seehofer noch vor allem aus Söders Frankenreich laut. Erst wenn die Rebellion auf die altbayerische Herzkammer der CSU übergreift, vor allem auf das mitgliederstarke Oberbayern (und heute auf die leicht entflammbare Fraktion), ist es um den Überlebenskünstler aus Ingolstadt geschehen. Bis dahin ist Seehofer nach seinen schweren Wahlkampfsünden genug damit gestraft, mit Merkel die Obergrenze aushandeln zu müssen.
Georg Anastasiadis
Sie erreichen den Autor unter
Georg.Anastasiadis@ovb.net