Das Video, das der Redaktion vorliegt, zeigt einen älteren Mann, bekleidet mit heller Mütze, auffällig buntem Hemd und kurzer Hose, der mit seinem E-Radl rasant um die Kurve biegt. Ein junger Mann im roten T-Shirt rennt ihm hinterher. Es ist Denis R. (33), der versucht, den Radfahrer zu erwischen. Doch der Unbekannte ist schneller – und er hat offenbar gute Gründe, sich davonzumachen: Der flüchtende Radfahrer soll einen 74-jährigen Radler beleidigt und geschubst haben – so stark, dass der Senior stürzte.
Passiert sein soll dies am Montagvormittag. Das spätere Opfer Walter T. kam gerade von einer Kältebehandlung, die er regelmäßig absolviert. Er wollte nach Hause radeln. Auf der Kistlerhofstraße in Obersendling kam dem 74-Jährigen der Geisterradler entgegen. „Ich hab zu ihm gesagt, dass er auf der richtigen Seite fahren soll“, erzählt Walter T. Daraufhin habe der Mann ihn beschimpft und vom Rad aus umgeschubst. „Ich bin mit dem Kopf auf einen Poller und dann auf den Boden geknallt“, berichtet der Münchner. „Zum Glück hatte ich einen Helm auf, sonst wäre das viel schlimmer ausgegangen.“ Der Münchner zieht sich eine Verletzung am rechten Bein zu. Dieses ist ohnehin vorgeschädigt, da Walter T. bei einem Autounfall vor 40 Jahren Verbrennungen dritten Grades erlitten hatte. „Weil ich Blutverdünner nehme, hab ich geblutet wie die Sau“, sagt der Münchner. Ohne sich in irgendeiner Weise um den Verletzten zu kümmern, soll der Unbekannte einfach davongefahren sein.
Denis R. saß zu diesem Zeitpunkt gerade auf einer Parkbank vor seinem Büro an der Kistlerhofstraße und hörte, wie sich zwei Männer anschreien. „Deshalb habe ich mich umgedreht und gesehen, wie einer den anderen geschubst hat und dann einfach weitergefahren ist.“ Der 33-Jährige reagiert sofort und rennt dem E-Biker hinterher. „Es ist unter aller Sau, einfach abzuhauen“, sagt er. „Ich hab gesehen, wie der andere Mann auf einen Poller gefallen ist und gedacht: Oh weh. Das könnte etwas Schlimmeres sein.“
Auch der Kameramann Georg H. bemerkt den Streit und zückt seinen Fotoapparat, um den Flüchtenden per Video einzufangen. „Der Radfahrer bog in die Perchtinger Straße ein und drehte sich immer wieder um. Er war so schnell, dass der Zeuge keine Chance hatte, ihn einzuholen“, sagt Georg H. „Ich hoffe, dass der Mann gefunden wird.“
Unterdessen wird der verletzte Walter T. in eine Klinik gebracht, wo Ärzte seine Wunde versorgen. „Ich bin außerdem auf die Schulter gefallen, die mir seitdem wehtut“, sagt der ehemalige Vermögensberater. Nun muss er regelmäßig zum Arzt und seine Verletzung kontrollieren lassen. „Ich fahre sehr viel Fahrrad in der Stadt, aber so etwas ist mir noch nie passiert“, sagt der 74-Jährige.
Der Münchner erstattet Anzeige bei der Polizei. Dort wird der Vorfall nun als „Aggressionsdelikt im Straßenverkehr“ geführt. Die Polizei ermittelt. Sie nimmt Hinweise unter der Telefonnummer 089/29 10-0 entgegen.