Theoretisch gibt es etwas zu feiern. Wäre ich fest angestellt, dann würde mich am Montag meine Chefin mit einem Glas Champagner empfangen und mir dann mit großer Geste einen weiteren Urlaubstag schenken. Die Kollegen hätten sicher gebacken. Und irgendjemand würde sich schon überwinden und sagen, dass ich als Kollege durchaus halbwegs erträglich sei. Ich bin nämlich nächste Woche seit exakt 25 Jahren in Film und Fernsehen unterwegs. Freiberufliche Silberhochzeit, sozusagen. Nur: Der Braut ist das ziemlich egal, wobei ich zugeben muss, dass ich auch nicht genau sagen kann, wen ich da geheiratet habe. Wer ist eigentlich „Film und Fernsehen“?
Eines weiß ich sicher: Die Braut, Film und Fernsehen also, hat sich seit damals sehr verändert. Als ich im Jahr 1994 als blutjunger Praktikant beim Bayerischen Fernsehen anfing, landete ich in der Redaktion von „Live aus dem Alabama“. Das war eine Jugendsendung für die – hier schlucke ich – heute 50-Jährigen. Ich recherchierte Themen und lud Gäste in Diskussionsrunden ein. Aber wie! Damals schrieb man keinen Blog, sondern auf einem Block. Unter Email verstand man eine bestimmte Beschichtung beim Kochgeschirr, und Influencer wurde noch „Influenza“ buchstabiert und war eine ansteckende Krankheit. In unserem Büro, in dem selbstverständlich geraucht wurde, hatten wir nur ein Faxgerät und Festnetztelefone. Das genügte für eine junge und durchaus beliebte Sendung (was nicht unbedingt mein Verdienst war, ich war ja nur der Praktikant).
Als ich ein Jahr später meine ersten Filme schneiden durfte, gab es Streit unter den Cuttern der Schnittfirma. Jeder wollte die neuen, leistungsfähigeren Festplatten für seinen Schnittcomputer haben. Die waren so groß wie ein Schuhkarton und schafften neun Gigabyte. Heutzutage gibt es Smartphones mit 256 GB. Wohlgemerkt, ich erzähle hier von meinen Jahren als junger Erwachsener. Und doch klingt alles nach Schwarz-Weiß-Film.
Ich frage mich: Kann ein Bäcker heute auch kaum noch glauben, unter welchen Bedingungen er in den Neunzigerjahren arbeitete? Oder habe ich einfach nur das falsche Berufsfeld gewählt? Vielleicht sollte ich am Wochenende mal drüber nachdenken. Das neue Lehrjahr beginnt am 1. September, und als Bäcker wäre ich wenigstens fest angestellt.
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