Hildegard Müller (Name geändert) dachte, sie liebt einen Helden: Gabriel Wartenberg, ein US-Soldat aus New York, Familienvater, Retter von Geiseln und Bekämpfer von Terroristen. Aber diesen Mann gibt es nicht. Er ist eine Erfindung, die Hildegard Müller nicht nur Herzschmerz beschert, sondern satte 175 000 Euro gekostet hat! Sie zahlte das Geld an Betrüger, die sich derzeit vor Gericht verantworten müssen.
Angeklagt sind ein 26-jähriger Deutscher, ein Nigerianer und ein Ghanaer. Sie haben nicht nur Müller, sondern auch zahlreichen anderen Nutzern von Dating-Plattformen die große Liebe versprochen – und insgesamt über eine Million Euro kassiert.
Müller meldete sich vor zwei Jahren bei der Singlebörse Friendscout24 an – dort lernte sie den vermeintlichen US-Amerikaner kennen. „Wir haben uns sofort gut verstanden“, sagt die 61-Jährige. „Wir redeten über alles. Ich habe ihm vertraut.“ Die beiden chatteten und telefonierten fast täglich. „Ich war verliebt“, erinnert sich Hildegard Müller. Dabei wusste sie nicht, dass sie einem Betrüger ihr Herz geschenkt hat. „Seine Geschichten waren glaubhaft…“ Eines der Märchen: Der Soldat habe Geiseln von Terroristen befreit und dabei eine ganze Kiste Goldbarren gefunden – für den Transfer bräuchte er dringend Geld. „Er sagte mir auch, dass er aus Angst desertieren wollte – ich zahlte ihm die Kosten für einen Diplomaten.“ Etwa ihr halbes Vermögen – die ganze Erbschaft ihres verstorbenen Onkels – hat sie aus reiner Gutgläubigkeit verloren.
Noch einen Tag vor dem Prozess hat Müller mit „Gabriel Wartenberg“ telefoniert. Bis zum letzten Moment, bevor sie als Zeugin den Gerichtssaal betritt, hofft sie, dass er wirklich existiert. Schon im Jahr 2016 hat sie die Polizei auf den Betrüger aufmerksam gemacht – trotzdem zahlte sie danach noch etwa 50 000 Euro an den Mann ohne Gesicht – weil sie ihm blind vertraute.
So erging es auch Jelenko Dragovic (Name geändert) aus Österreich. Im März lernte der 66-Jährige die 30-jährige Fantasiefigur Alice Moyer über Skype kennen. Er chattete sogar per Video mit ihr. Und merkte erst spät, dass es kein Live-Chat war. „Als ich sie aufgefordert habe, etwas zu machen, hat sie nicht reagiert“, sagt er. „Da hab ich gemerkt, dass es eine Aufnahme war.“ Zu spät: Der Rentner hat zu dem Zeitpunkt schon etwa 40 000 Euro überwiesen. „Sie schrieb mir, dass ihr Vater in Ghana über hundert Kilogramm Gold hatte, die nach Österreich gebracht werden müssen.“ Ihr „Rechtsanwalt“, hinter dem sich nach Ansicht der Staatsanwaltschaft der deutsche Angeklagte verbirgt, soll ihm das per Telefon bestätigt haben. Dragovic zahlte den angeblichen Transfer. „Sie war mir sehr symphatisch.“ Später fand er heraus, dass die Bilder der jungen Frau von einer Pornodarstellerin sind. „Vielleicht war ich ja ein bisschen verliebt“, sagt der Rentner. „Ich wollte nur helfen.“
So wie Hildegard Müller. Sie wirkt entspannt, geht locker mit dem Verlust um. „Ich bin reingefallen“, sagt sie. „Aber ich schäme mich nicht. Ich war einfach großzügig.“
kathrin braun