Morgen ist Nikolaus und noch viel schlimmer: Übermorgen ist er nicht mehr. Das ist ein Problem, denn für unsere zaghaften Versuche, unsere Kinder – vor allem meinen Sohn – zu erziehen, ist der Nikolaus zur Zeit kaum entbehrlich. Lego nicht aufgeräumt? „Das sieht der Nikolaus!“ Keine Lust ins Bett zu gehen? „Das sieht der Nikolaus!“ Die Spaghetti („Bäh-Kacka-Spaghetti“) weggeschoben? Auch. Und auch das. Und das.
„Gut“, kann man sagen, „wenn der Nikolaus fehlt, bald kommt das Christkind“. Doch leider eignet sich das Christkind weniger dazu, die Kinder zu erpressen. Denn zum einen ist es zu lieb, als das man ihm zutrauen würde, Kinder nur halbglücklich machen zu wollen; zum anderen behauptet meine Tochter, einen von den Erwachsenen unabhängigen Kommunikationskanal zum Christkind aufgebaut zu haben. Als ich am Wochenende die Drohkulisse „das sieht das Christkind“ aufbaute, riss meine Tochter sie umgehend ein: „Ich habe ihm schon meinen Wunschzettel gegeben, da vorne fliegt es mit ihm davon!“ Und sie zeigte aufgeregt in Richtung Apfelbaum.
Ganz schlimm wird es dann nach Weihnachten – der Werkzeugkasten zur Erziehung mit erpresserischen Mitteln ist dann wie leergefegt: Nicht mal meinen gutgläubigen Kindern traue ich zu, dass sie mir abnehmen könnten, dass sich „der Osterhase“ Ende Dezember dafür interessieren könnte, ob sie das Zimmer aufgeräumt haben oder nicht.
Womit wir bei der Frage sind, wer zwischen Ostern und Nikolaus als übernatürlicher Begutachter von kindlichem Verhalten ins Spiel gebracht werden kann. Im WM-Jahr geht das vermutlich nur über Fußballentzug: „Wenn Du jetzt nicht ruhig aufisst, sieht das der Jogi!“ Oder: „Wenn Du nicht ins Bett gehst, sieht das König Fußball!“ Naja, nicht wirklich. Also bleibt zwischen Ostern und Nikolaus nur die Wiesn. Das Szenario, der Oktoberfest-Karussell-Besuch könnte ausfallen, wird funktionieren.
Erstaunlich ist, welche Wirkung der Nikolaus auch auf Erwachsene haben kann. Kürzlich hatte ich mir fest vorgenommen, die leidige Steuererklärung 2016 abzuschließen, allerdings zog es meinen Körper mit aller Macht in Richtung Couch und einem abendlichen Fußballspiel. Erstaunlicherweise kehrte ich an den Schreibtisch zurück. Mir war es, als hätte ich ein Sofakissen sprechen hören: „Der Nikolaus hat genau gesehen, dass Du die Steuererklärung noch nicht abgegeben hast!“