Mehr als 200 Seiten dick ist der Entwurf für einen Grundsatzbeschluss zur Förderung des Radverkehrs – dennoch kann das Papier nach Meinung der Grünen die hochgesteckten Erwartungen nicht erfüllen. „Hier handelt es sich wohl eher um eine Beschäftigungstherapie für die Verwaltung“, spottet Stadtrat Herbert Danner. Der bescheinigt dem Papier zwar eine „messerscharfe Analyse“ der aktuellen Situation. „Der Fehler ist, dass aus dieser Analyse überhaupt keine Konsequenzen gezogen werden.“
Im Papier stellt die Stadt fest, es brauche „klare Bekenntnisse für einen Wandel in der Mobilitätskultur“ in München – vor allem vor dem Hintergrund dauerhaft schlechter Luftqualität. Als Konsequenz wird eine Zunahme des Radverkehrs bis zum Jahr 2025 gefordert – jedoch nur um 3 Prozent.
„Die Stadt traut sich nicht, ein konkretes Ziel auszugeben“, ärgert sich Grünen-Stadtrat Paul Bickelbacher. Die Grünen gehen deshalb in die Offensive, setzen der Stadtratsvorlage konkrete Änderungsanträge entgegen. Bis 2025 solle der Radverkehr 25 Prozent des Gesamtverkehrs in der Stadt betragen – nur so ließen sich die Ziele bei der Luftreinhaltung überhaupt erreichen.
Ein weiterer Antrag der Grünen: Die Fraunhoferstraße soll künftig keine Parkplätze mehr bieten, dafür extra breite Radwege, auf denen auch Überholen möglich ist. Derzeit schlängeln sich die Radler zwischen parkenden Autos und Tramschienen durch – und bremsen so gemeinsam mit ausparkenden Autos auch die Tram aus. „Ein solcher Radweg wäre also nicht nur Radförderung, sondern auch ÖPNV- und Fußgängerförderung“, findet Bickelbacher. Und die dadurch wegfallenden Parkplätze? Verzichtbar, finden die Grünen. Wer den Radverkehr fördern wolle, müsse Prioritäten setzen.
Im Grundsatzbeschluss findet sich dagegen nur eine Maßnahme, für die überhaupt Parkplätze weichen müssten: Ein Radweg in der Brienner Straße zwischen Karolinenplatz und Türkenstraße – und das zunächst nur als Versuch für ein Jahr. „Offenbar gilt: Bloß niemandem auf die Füße treten“, ärgert sich Grünen-Fraktionschefin Gülseren Demirel. Sie spricht von einem „Dokument der Mutlosigkeit“.
Aus den Bezirkschausschüssen (BA) hagelt es Kritik. So konstatiert der BA Maxvorstadt: „Es fehlt ein klarer Plan und eine Gesamtstrategie, welches Ziel man im Radverkehr bis wann erreichen will.“ Der BA Schwabing-West fordert einen „Realisierungsplan“ und eine größere Planungstransparenz. „Die kritischen Stimmen aus den Bezirksausschüssen sind eine schallende Ohrfeige für Oberbürgermeister Dieter Reiter“, findet Danner.
Nicht nur, was die Stadt nicht plant, stößt auf Kritik – auch die vorgesehenen Maßnahmen sind umstritten. Die Grünen fordern bis 2025 fünf neue Radschnellwege, die München queren und mit dem Umland verbinden. Die Stadt selber rechnet nur mit zwei solcher Radautobahnen. Die Grünen fordern zudem zehn zweieinhalb Meter breite Radverkehrsachsen, die auch mit Lastenrädern bequem befahrbar sind. Desweiteren wollen sie 50 große Lückenschlüsse im Radnetz – nach dem Vorbild der Fraunhoferstraße. Im Grundsatzbeschluss ist von acht zentralen Maßnahmen die Rede, die „genauer untersucht, geplant und nach entsprechenden Stadtratsentscheidungen umgesetzt“ werden sollen.
Um alle Wünsche der Grünen zu bezahlen, müssten allerdings mehr Mittel fließen. Bislang liegt die Nahmobilitätspauschale bei 10 Millionen Euro pro Jahr – nach dem Willen der Ökopartei sollte sie bis zum Jahr 2021 auf 50 Millionen Euro steigen.