Grüne Kreuze: Karl Kaiser reicht‘s

von Redaktion

Jetzt auch in Töging: Wie sich Landwirte gegen Bürokratie und Diffamierung stemmen

Töging/Rosenheim – Zunehmende Bürokratisierung, strenge Auflagen, hohe Investitionen und geringe Gewinnmargen – schon in den vergangenen Jahren war das Leben vor allem für Landwirte mit kleineren Betrieben hart. Immer mehr Landwirten auch in der Region reicht‘s. Zum Zeichen ihres Unmuts stellen sie grüne Kreuze auf. Die Bauern in den Landkreisen Rosenheim und Traunstein protestierten als die Ersten in der Region, jetzt ziehen die Landwirte hierzulande nach. Karl Kaiser und sein Sohn Franz-Josef aus Töging haben nun ebenfalls gepinselt, geschraubt und aufgestellt. „Weil uns die Reglementierung langsam zu viel wird“, erklärt der 48-jährige Lohnunternehmer aus Töging.

Düngeverordnung
ist praxisfremd

Kaiser ist mit seinem grünen Kreuz Teil einer Protestbewegung, die – von einem Landwirt in Nordrhein-Westfalen gestartet – auch vom Bayerischen Bauernverband unterstützt wird. Bauernpräsident Walter Heidl und sein Stellvertreter Günther Felßner demonstrierten mit einem grünen Kreuz sogar schon vor der bayerischen Staatskanzlei in München.

Es ist nicht nur die Bürokratie, mit der sich die Landwirte rumärgern müssten. „Die aktuelle Düngeverordnung ist völlig praxisfremd, lässt sich nicht umsetzen. Viele Landwirte kapieren sie auch nicht. Auch ich tu‘ mir schwer, obwohl ich Agrarbetriebswirt bin“, regt sich Kaiser auf. Der Landwirt, der auch BBV-Ortsobmann von Töging ist, beschreibt ein Beispiel: Weniger Dünger, bedeute weniger Stickstoff. „Der ist aber notwendig für einen hohen Eiweißgehalt. Und ohne Eiweiß kann ich kein Brot backen!“, erklärt Kaiser, der den Schaden hat. „Im letzten Jahr hat mir der Müller den Weizen nicht mehr abgenommen, weil er nicht mehr die geforderte Qualität erreicht hat. Nach 40 Jahren Zusammenarbeit hat er Ware aus dem Osten vorgezogen! Wir verlieren einen ganzen Markt!“

120 Tonnen Getreide seien deswegen in seine Biogasanlage gewandert, „in diesem Jahr bin ich auf 150 Tonnen sitzen geblieben. So kann es doch nicht weitergehen!“, schimpft Kaiser.

Schon seit Langem versucht er, mit einer Imagekampagne dem schlechten Ruf der Landwirtschaft entgegenzuwirken, wirbt mit großem Banner am Ortseingang für nachhaltige Landwirtschaft. Soja, das sein Sohn schon seit Kindesbeinen an die hofeigenen Hühner verfüttert, produziert der 48-Jährige ebenso selbst. Mit Zwischenfruchtanbau wertet er die eigenen Böden auf und sorgt bis spät in den Herbst hinein für Nahrung für Insekten. „Und wenn die Frucht nach dem ersten Frost dann in sich zusammensackt, dann heißt es: Das Glyphosat ist daran schuld!“, berichtet Kaiser aus seinen Erfahrungen mit oft schlecht informierten Kritikern.

Das grüne Kreuz, das er nun an drei Standorten aufgestellt hat, stehe auch aus diesem Grund für „den ausgestorbenen Dialog zwischen Landwirten und Politik.“

Er hoffe, dass die Gesetze wieder fachlich fundiert und nicht nach Kampagnen beschlossen werden. Denn seit dem Volksbegehren zur Artenvielfalt sei alles noch schlimmer geworden. Die Landwirte – er selbst sieht sich als Umwelt- und Naturschützer – müssten als Sündenböcke herhalten, es fehle an der Kommunikation und auch an Wissen in der Bevölkerung. „Selbst wenn ich als Lohnunternehmer mit dem Güllefassl Wasser zu Baustellen transportiere, bekomme ich von Passanten den Vogel oder den Scheibenwischer gezeigt. Sie halten sich die Nase zu, weil ja der böse Bauer wieder seine Gülle ausbringen könnte. Das gehört mittlerweile zur Tagesordnung!“

Den Bauern kommt allgemein der Austausch zu kurz. Das sagt auch Markus Drexler, Sprecher des Bayerischen Bauernverbands. „Der Unmut und die Enttäuschung über die Politik sind sehr groß.“

Einladung
zum Gespräch

Ein zentraler Grund sei, „dass Politik und Gesellschaft den Bauernfamilien und der gesamten Landwirtschaft enorme Veränderungen abverlangen, ohne dass dabei der Dialog gesucht wird und die dafür notwendigen Rahmenbedingungen gesetzt werden.“ Er sieht die Bauern einseitig und unfair belastet und nennt als Beispiele das Agrarpaket der Bundesregierung, die Insektenschutz-Programme, die erneute Verschärfung der Düngeverordnung, das Mercosur-Handelsabkommen (Abkommen über den gemeinsamen Markt Südamerikas) und immer neue Auflagen bei der Tierhaltung.

„Ich sehe die Kreuze als Einladung zum Gespräch“, betont der Töginger Landwirt. Tatsächlich hat Kaiser schon positive Erfahrung gemacht. Er werde auf die Kreuze angesprochen, man interessiere sich plötzlich für das Thema, führe den Dialog. Der sei auch wichtig, um junge Leute für die Landwirtschaft zu begeistern und damit deren den Fortbestand zu sichern.

Sein Sohn Franz-Josef hat noch nicht aufgegeben. Aktuell absolviert der 17-Jährige das Berufsgrundschuljahr. Auch er protestiert, kämpft für den Bauernstand: „Nicht ich, sondern er war es, der aktiv geworden ist und die Kreuze gebastelt hat!“

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