Nur die Bahn nutzt Glyphosat

von Redaktion

Gemeinden bekämpfen Unkraut mit heißem Wasser und Harke

Mühldorf – Mit einem neuen Artenschutzgesetz will der Freistaat den Rückgang von Pflanzen und Tieren stoppen (Bericht im überregionalen Teil). Für viele ist Glyphosat einer der großen Insektenkiller, ein Verbot kommt derzeit trotzdem nicht in Frage. Wir haben bei den Kommunen und dem Landkreis nachgefragt, wie sie es mit der Unkrautbekämpfung halten. Das Ergebnis ist überraschend einhellig – auch wenn es einen ganz großen Ausreißer gibt.

Handarbeit in Obertaufkirchen

„Die Gemeinde Obertaufkirchen setzt seit mehreren Jahren kein Glyphosat zur Unkrautbekämpfung auf öffentlichen Flächen ein“, teilte Obertaufkirchens Bürgermeister Franz Ehgartner mit. Was die Sache für eine kleine Gemeinde nach seinen Angaben aber nicht einfacher und billiger macht: „Die Anschaffung eines Heißwassergerätes nur für Obertaufkirchen ist allerdings wirtschaftlich nicht darstellbar.“ Es bleiben damit die klassischen Methoden mit dem Unkrautbesen oder in Handarbeit. Um trotz der Unkrautbekämpfung Blüten nicht den Garaus zu machen, gilt für Ehgartner: „Nicht jede öffentliche Fläche kann und muss zwingend komplett unkrautfrei gehalten werden.

Buchbach verzichtet schon seit Jahren auf Spritzmittel und flammt Unkraut ab oder wendet heißes Wasser an, auch Waldkraiburg, Ampfing und Mühldorf verwenden seit Jahren kein Glyphosat mehr. Unkraut wird mit Rasenmäher, Kehrmaschine und Unkrautbürste bekämpft.

Auf die mechanische Lösung setzt Polling, Glyphosat käme zur Bekämpfung nicht in Frage. „Es handelt sich schließlich um ein Totalherbizid, das alles abtötet. Auch als Bauer lehne ich es ab“, erklärt Bürgermeister Lorenz Kronberger, der auch Landwirt ist. Die Wege der Friedhöfe in Flossing und Polling seien mit Riesel belegt, der immer in Bewegung sei. „Grünpflanzen tun sich schwer zu wachsen.“ An der Schule rücke der Hausmeister dem Unkraut mit der Harke zu Leibe.

Neumarkt-St. Veit setzt auf Schaum

Wie „Unkrautmanagement“ – den Begriff verwendet das Forstamt Rosenheim – geht, sieht man am Beispiel Neumarkt-St. Veit. Seit 2017 geht die Stadt alternative und vor allem biologische Wege mit einem Heißschaumgerät. Wasser wird auf fast 100 Grad Celsius erhitzt und versprüht. Dabei wird das heiße Wasser mit einem isolierenden Schaumteppich überdeckt. Der trockene Schaum entsteht, wenn Zucker-Tenside mit Luft gemischt werden. Dabei stammen sowohl der Fettalkohol als auch der Zuckeranteil nach Angaben von Bürgermeister Erwin Baumgartner vollständig aus pflanzlichen Rohstoffen. „Der Schaum bewirkt, dass die Hitze über mehrere Sekunden auf die Pflanzen einwirkt. Die Pflanzen sterben weitgehend ab. An sehr heißen Tagen werde die Maschine auch ohne Schaum, also nur mit Heißwasser, benutzt. „Da reicht das heiße Wasser“, sagt Baumgartner.

Auch der Landkreis hat sich vom Glyphosat verabschiedet. Die Hausmeister an den Schulen rücken den ungewollten Gräsern mit Wildkrautbesen, Fräse und Rasentrimmer zu Leibe. Wird eine andere Firma zur Pflege von Außenanlagen angeworben, darf diese auch keinen Unkrautvernichter einsetzen. Wenn an den Schulen fremd vergeben wird, dann wird bei den Ausschreibungsunterlagen darauf geachtet, dass die Verwendung von Unkrautvernichtern ausgeschlossen ist.

Der Markt Kraiburg hat der Verwendung von chemisch-synthetischen Pestiziden auf Gemeindeflächen Ende 2017 per Gemeinderatsbeschluss eine Absage erteilt. Alternativen wurden nicht festgelegt. Abschaumen und Abflammen sind aus Sicht von Bürgermeister Herbert Heiml „nicht ideal“. Er steht auf dem Standpunkt, dass „auch mal ein Unkraut zu sehen sein darf“, wenn der Bürger schon alles in Zweifel ziehe. „Wenn es jemanden stört, kann der auch mal zur Harke greifen.“

Alternativen

werden geprüft

Bleibt die Bahn. Damit der Zugbetrieb nicht durch Wachstum von Bäumen und Pflanzen gestört wird, setzt sie – neben dem maschinellen Schnitt – auf Glyphosat. Im Bahndeutsch klingt das so: „Dabei werden ausschließlich Herbizide verwendet, die vom Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit speziell für den Gleisbereich zugelassen sind. Dazu zählt auch Glyphosat.“

Alles andere ist Zukunftsmusik. „Zusammen mit dem Bundesumweltministerium wollen wir ein Forschungsprojekt aufsetzen, um wirksame Möglichkeiten zu finden, die 33000 Kilometer Streckennetz ohne Glyphosat und damit ebenso umweltfreundlich wie sicher zu betreiben“, verkündet ein Bahnsprecher. Dabei habe die Bahn „drei Verfahren identifiziert, die als mögliche Alternativen zu Glyphosat im Gleisbereich zum Einsatz kommen könnten“. Heißwasser, „Electro Weeding“, bei dem Unkraut mit Strom bekämpft wird und UV-C-Licht, das die Pflanzen tötet. „Alle Verfahren werden zunächst auf ihre Verträglichkeit mit der Gleisinfrastruktur geprüft“, schreibt der Bahnsprecher.

Artikel 26 von 54