Georg Uecker (55) strahlt! „Hier habe ich meine erste Sandburg gebaut“, sagt der Schauspieler. Gut gelaunt sitzt er auf dem Spielplatz im Luitpoldpark und erzählt aus seinem bewegten Leben. Bis er vier Jahre alt war, hat der Lindenstraßen-Star an der Hohenzollernstraße/Ecke Tengstraße gewohnt. „Ich sehe es noch ganz genau, meine Mutter saß da auf der Bank und hatte ein Buch in der Hand, wir spielten im Sandkasten“, erinnert sich Uecker. So unbeschwert wie damals verlief sein weiteres Leben allerdings nicht. Viele schreckliche Schicksalsschläge folgten. Sie alle hat der Unterhaltungsfacharbeiter, wie er sich selbst nennt, jetzt in seinem Buch „Ich mach’ dann mal weiter!“ (Fischer Verlag) aufgeschrieben. Wie er es geschafft hat, immer wieder zu kämpfen und nie seinen Lebensmut zu verlieren, hat er tz-Kolumnistin Teresa Winter verraten.
-Warum haben Sie dieses Buch geschrieben?
Immer wenn ich aus meinem Leben erzählt habe, sagten Leute, schreib das mal auf. Ich habe es dann ewig vor mir hergeschoben, weil ich viel zu tun hatte und auch großen Respekt davor hatte, denn es gibt viele Autobiografien von öffentlichen Personen, die einfach nicht so wahnsinnig viel erzählen… Als ich dann vor zwei Jahren zum ersten Mal erzählt habe, dass ich HIV-positiv bin, woraus ich übrigens nie ein Geheimnis gemacht habe, und viele Reaktionen darauf erhalten habe, dachte ich mir, jetzt könntest du wirklich dieses Buch schreiben.
-War es für Sie schwer, alles aufzuschreiben?
Am emotional anstrengendsten und was mich am meisten angegriffen hat, waren die Geschichten von Verlust. Von Menschen, die ich verloren habe, von Tiefpunkten, die ich überwinden musste.
-Was war Ihr absoluter Tiefpunkt im Leben?
Das war das Jahr 1993 – wie’s der Zufall so will, genau vor 25 Jahren. In diesem Jahr habe ich alles verloren. Meine große Liebe, unsere Wohnung in London und fast mein Leben. Ich bekam die Doppeldiagnose HIV und Lymphdrüsenkrebs. Ich war Freiberufler, konnte nicht mehr arbeiten, da türmten sich die Schulden auf, und durch die Nebenwirkungen war ich teilweise so schwach, dass ich nicht mehr aufstehen konnte. Ich lag da wie ein rohes Stück Fleisch.
-Woher nahmen Sie die Kraft?
Durch die Liebe und die Hilfe, die ich von Freunden und meiner Familie bekomme. Ich habe mich von Sachen befreit, die mir nicht gutgetan haben. Von Dingen, überflüssigen Sorgen und auch von Leuten. Im Kern ist es bei mir aber die Lebensgier, die Lebenslust, die Lebensneugier, die mich weitergetragen hat.
-Wie geht’s Ihnen heute gesundheitlich?
Nach der Chemo hieß es, wenn die ersten fünf Jahre nichts zurückkommt, sieht’s gut aus. Bei mir ist das jetzt 25 Jahre her. Deshalb kann man wirklich sagen, dass ich davon komplett geheilt bin. Und der medizinische Fortschritt hat dafür gesorgt, dass ich einmal am Tag drei Tabletten nehmen muss und tatsächlich seit über zehn Jahren kein HIV-Virus mehr in meinem Körper nachweisbar ist.
-Ihre große Liebe John starb an Aids…
Ja, wenn er ein bisschen länger durchgehalten hätte, wäre er vielleicht noch da. Manchmal macht es mich traurig und wütend, dass er gestorben ist, aber ich denke nicht jeden Tag darüber nach und lebe in so einem emotionalen Mausoleum.
-Konnten Sie sich nach seinem Tod noch mal verlieben?
Ich hatte danach Ansätze von Beziehungen und Affären, die aber nicht stark genug waren. So etwas auf ein anderes Level zu bekommen, braucht sehr viel Arbeit.
-Glauben Sie überhaupt noch an die große Liebe?
Auf jeden Fall, und wenn es sie nicht mehr gibt, dann habe ich sie einmal erlebt und bin sehr froh darüber. Aber ich bin nicht verzweifelt auf der Suche und kaufe mir auch keinen Dackel als Ersatz.
-Hat sich Ihr Leben durch die Schicksalsschläge verändert?
Ja, zwar nicht so massiv, weil ich schon immer sehr intuitiv und intensiv gelebt habe, aber mittlerweile bin ich noch näher an mir dran. Ich mache, was ich will, was mir guttut und versuche, meine Träume umzusetzen. So bin ich neulich zum Beispiel nach Uruguay geflogen. Das wollte ich schon immer mal machen, und dann habe ich es einfach gemacht.
-Haben Sie eigentlich Angst vor dem Tod?
Nein, der soll auch noch schön warten, denn ich hab’s nicht eilig. Wenn Katzen sieben Leben haben, bin ich ein sehr zäher Kater.
-Es gab ja auch eine Zeit, da wollten Sie nicht mehr leben.
Während der Chemotherapie habe ich hoch dosiertes Cortison bekommen, das wie ein Aufputschmittel wirkte. Als es abgesetzt wurde, hatte es den gegenteiligen Effekt. Das verbunden mit meiner Sorge und meiner Trauer führte dazu, dass ich Depressionen hatte. Da gab’s eine Phase, wo ich nicht mehr leben wollte, wo ich sagte, kann mich mal jemand da oben abholen, wo ich auch aus dem Fenster springen wollte. Die war schlimm. Irgendwas hat mich damals zurückgehalten. Gott sei Dank!
-Wie fassten Sie wieder neuen Lebensmut?
Durch Freunde, die Familie und gute Werte bei den Kontrollen. Ich wollte auch unbedingt wieder arbeiten, eine Aufgabe haben. Deshalb fing ich an, selbst Konzepte zu schreiben, auf die Bühne zu gehen, Soloshows zu machen, das hat mir sehr geholfen. Auch, dass Hans W. Geißendörfer kam und wollte, dass ich zur Lindenstraße zurückkomme.
-Sie sind seit mehr als 30 Jahren dabei! Wie lange wollen Sie noch bei der „Lindenstraße“ bleiben?
Ich mache immer sehr kurzfristige Verträge. Das ist wie eine Ehe auf Zeit. Denn es ist wichtig, dass wir noch Spaß miteinander haben, wenn das nicht mehr so ist, können wir uns trennen. Noch bin ich dabei mit vollem Elan, und es macht total Spaß.