Ein Leben mit Enkeln ist aufregend, aber auch anstrengend – vor allem in der heutigen Zeit, wo Oma und Opa stark in die Betreuung eingebunden sind. Dietrich von Horn, vierfacher Großvater, hat ein launiges Buch darüber geschrieben. Und gibt im Interview ernsthafte Tipps, damit alle zufrieden sind: Kinder, Eltern, Großeltern.
Wie wichtig sind Großeltern für eine moderne Familie?
Sehr wichtig! Die heutige Zeit ist stressig – selbst die Kleinen bekommen das zu spüren: Ein Kindergartentag ist anstrengend, die Schule fordert. Dann kommen sie nach Hause – und finden oft gestresste Eltern vor. Alles muss schnell, schnell, schnell gehen. Die Eltern stehen heute eben ganz anders unter Druck als früher. Die Mutter ist schon lange nicht mehr nur Hausfrau, sondern mitten im Berufsleben. Der Vater ist durch seine berufliche Einbindung selten oder erst abends zu Hause. Da verlangt es nach den Großeltern!
Inwiefern?
Die Alten können mit Ruhe und Gelassenheit dem ganzen Stress entgegenwirken – und das wiederum kann sich nur positiv auf das Kind auswirken.
Für Oma und Opa ist es aber nicht immer ganz leicht – die Ansprüche der Enkelkinder und auch deren Eltern sind mittlerweile hoch …
Ich würde eher sagen: Die Ansprüche an sich selbst sind sehr hoch. Als Oma und Opa will man seine Enkelkinder ja nicht einfach ruhigstellen, also nicht nur vor den Fernseher setzen oder vor ihr „Tablet“. Man will auch etwas von ihnen haben! Will etwas gemeinsam erleben, zum Beispiel beim Spazierengehen: Was es da alles auf dem Weg zu entdecken gibt! Das ist wirklich aufregend. Man kann einen toten Vogel finden, unter einem runden Stein Asseln entdecken, Enten auf dem Teich sehen, den Wind in den Weiden spüren – und so weiter. Da gibt es so viel!
Trotzdem: Ein paar Ansprüche haben Mama und Papa ja auch. Und die Kleinen sowieso. Wie bekommen Oma und Opa diesen Spagat hin?
Ich glaube, dass die Ansprüche der Eltern an die Großeltern gar nicht so groß sind. Sie sind meist schon zufrieden, wenn sie ihre Kinder in einer verantwortungsvollen Hand wissen. Und das Schöne für die Großeltern ist doch am Ende, dass sie die Verantwortung für die Enkelkinder wieder abgeben können. Ich hätte aber ein paar Verhaltenstipps, die für Großeltern sicher hilfreich sind …
Und die wären?
Erstens: Ignoriere nicht die Grenzen, die die Eltern gesetzt haben. Zweitens: Frage deine Enkelkinder nicht aus. Sie erzählen dir sowieso alles! Drittens: Biete deine Hilfe an, aber dränge dich nicht auf. Viertens: Plane Zeit ein, höre zu und sei vor allem geduldig. Fünftens: Mache nichts, was über deine Kräfte geht. Und sechstens: Liebe dich selbst, wie du deine Enkelkinder liebst. Etwas Besseres kannst du für deine Enkelkinder nicht tun!
Klingt eigentlich ganz einfach …
Ja, eigentlich schon.
Und welche konkreten Tipps haben Sie für die gemeinsame Freizeitgestaltung von Jung und Alt?
Um seine Zeit mit den Enkeln zu nutzen, braucht es erst einmal von der Großelternseite Voraussetzungen. Man muss mit sich im Reinen sein. Will ich mich wirklich auf meine Enkelkinder einlassen? Ist das nicht der Fall, sollte man eine freundliche Distanz wahren. Hab ich mich aber entschlossen, sie voll und ganz an mich heranzulassen, muss ich mir darüber im Klaren sein, dass das eine starke körperliche und seelische Anspannung bedeutet. Wenn mich die mittägliche Müdigkeit übermannt, kann ich der nicht nachgeben. Da heißt es dann: „Opa, du kannst hier nicht schlafen. Du bist jetzt der Wolf und ich die Eisprinzessin.“ Da muss der Wolf in mir wachgerüttelt werden. Wenn man noch Zähne hat, Zähne fletschen, Augen aufreißen, Wolfsgeheul anstimmen: „Aaaarrrrooooooohaaaaaaa!“ „Opa, hör auf, ich krieg Angst!“ Nach so einem erfolgreichen schauspielerischen Akt ist die Müdigkeit wie weggeflogen. Wenn man das aber alles nicht will, sollte Opa mit seiner Oma lieber auf eine Kreuzfahrt in die Karibik gehen. Ich für meinen Teil zöge aber immer die Nähe zu den Enkelkindern vor.
Und wie findet man unter dem Wolfsgeheul die richtige Balance zwischen Verwöhnen und „sanft maßregeln“?
Grundsätzlich bin ich der Meinung, dass man seine Enkel liebevoll nachgiebig begleiten sollte. Aber das eigene Verhalten sollte nicht nur aus Nachgiebigkeit bestehen. Gibt es Dinge, die mich am Verhalten der Kinder stressen, bringe ich das zum Ausdruck.
Sie sind inzwischen vierfacher Großvater. Was haben Sie vor allem gelernt zwischen Enkel eins und Enkel vier?
Gelernt habe ich vor allem, dass sie sich alle unglaublich unterscheiden. Jedes braucht eine andere Ansprache: das eine Bestärkung und Ermutigung, das andere Führung und Erinnerung an Absprachen. Kein Kind ist gleich!
Interview: Barbara Nazarewska