Gut leben trotz Metastasen

von Redaktion

Der Brustkrebs schien besiegt, doch dann schlägt der Feind zurück: Es haben sich Metastasen gebildet. „Das war’s“, denken viele Patientinnen – und liegen damit oft falsch! Denn bei keiner anderen Krebsart sind die Chancen so hoch, trotz Metastasen noch viele Jahre gut zu leben. Ein Mutmachbeitrag zum heutigen Weltkrebstag.

VON ANDREA EPPNER

Wenige Tage vor Heiligabend bekam sie die Diagnose: Brustkrebs – mit Metastasen in der Leber. Erst kurz zuvor hatte sie einen Knoten in der Brust getastet. Ein bösartiger Tumor, sagten die Ärzte. Kaum war dieser erste Schock überwunden, folgte der nächste Schlag: Der Krebs hatte bereits gestreut.

„Die Familie war am Boden zerstört“, sagt Prof. Nadia Harbeck, Leiterin des Brustzentrums am Klinikum der Universität München (LMU). Hier wird die Patientin seit der Diagnose im Jahr 2013 behandelt. Mit Erfolg: Sie muss zwar Medikamente nehmen und alle drei Wochen in die Klinik. Aber: „Sie lebt ihr Leben“, sagt Harbeck. „Vergangenes Jahr konnte sie ihr erstes Enkelkind begrüßen.“

Geschichten wie diese sind keine Einzelfälle mehr. Neue Therapien geben vielen Frauen Hoffnung – ein Überblick.

Wie lange können Brustkrebspatientinnen trotz Metastasen überleben?

„Wir sind sehr zurückhaltend mit Prognosen zur Lebenserwartung“, sagt Harbeck. Denn kein Krebs ist wie der andere. Aber: Gerade bei Brustkrebs habe sich in der Therapie enorm viel getan. Zahlreiche moderne Medikamente sind im Einsatz, andere werden in Studien getestet, weitere stehen kurz vor der Zulassung. Das breite Spektrum zeigt Wirkung: „Durch eine Langzeittherapie schaffen wir es heute, viel mehr dieser Patientinnen oft jahrelang zu begleiten – wie bei einer chronischen Erkrankung.“ Und noch eine gute Nachricht gibt es: Bei immer mehr Frauen wird der Krebs schon bei der Erstdiagnose in einem frühen Stadium entdeckt und geheilt. Die Zahl der Patientinnen, die Metastasen entwickeln, geht daher insgesamt zurück.

Warum entstehen Metastasen überhaupt?

Das ist unklar. Eine Theorie ist: Einige Krebszellen schaffen es, der Ersttherapie zu entgehen, weil sie resistent gegen die eingesetzten Medikamente sind. Sie überdauern oft lange in einer Art Schlafzustand. „Erwachen“ sie wieder, können sie sich vermehren: So entstehen Metastasen. Bei Brustkrebs sind dabei besonders oft die Knochen betroffen, gefolgt von Leber, Lunge und Hirn.

Welche Beschwerden deuten auf Metastasen hin?

Meist verraten sie sich durch Schäden an befallenen Organen. So können Metastasen die Funktion von Leber und Lunge stören. Probleme beim Atmen und akute Atemnot können also Hinweise sein. Ebenso eine Gelbfärbung der Haut, wenn die Entgiftungsfunktion der Leber nachlässt. Auch schlechtere Leberwerte im Blut sollte man abklären. Metastasen im Hirn können sich durch anhaltende Kopfschmerzen oder Krampfanfälle verraten. Absiedlungen in den Knochen führen oft zu Schmerzen oder auch zu Brüchen. Gerade bei unklaren Schmerzen sollten Patientinnen ihren Arzt daher unbedingt darauf hinweisen, dass sie bereits an Brustkrebs erkrankt waren – auch wenn das schon viele Jahre her ist.

Sinkt das Rückfallrisiko denn nicht mit der Zeit?

Das kommt darauf an. Für viele Krebsarten und auch für einige Brustkrebsformen gilt tatsächlich: Wer geheilt wurde und auch fünf Jahre nach Diagnose krebsfrei ist, wird das wahrscheinlich dauerhaft bleiben. Anders ist das für „hormonempfindlichen Brustkrebs“: Bei Betroffenen fördern Geschlechtshormone das Wachstum der Krebszellen. Diese Patientinnen haben zwar insgesamt meist ein eher geringes Rückfallrisiko. Doch das bleibt lebenslang bestehen – Metastasen können also auch nach zehn oder 20 Jahren auftreten.

Lässt sich das verhindern?

Zumindest kann man etwas tun, um das Risiko zu senken. Dabei hilft zum einen viel Bewegung, gesunde Ernährung und ein normales Gewicht. Zum anderen sollten Patientinnen ihre vorbeugenden Medikamente nicht vorzeitig absetzen, nur weil sie Nebenwirkungen haben. „Viele Frauen fühlen sich nach ihrer Entlassung bei Erstdiagnose nicht mehr krank und sehen nicht ein, dass sie die Antihormontherapie weiter einnehmen sollen“, sagt Harbeck. Sie warnt vor einer verpassten Chance. „Die Antihormontherapie kann auch Metastasen verhindern.“

Wie prüft man einen Verdacht auf Metastasen?

Mit verschiedenen bildgebenden Verfahren. Sie reichen vom Ultraschall der Leber über eine Knochenszintigrafie – also eine nuklearmedizinische Untersuchung der Knochen –, über Röntgenaufnahmen, Computertomografie (CT) bis hin zur Magnetresonanztomografie (MRT). Wird tatsächlich etwas entdeckt, sei genau wie bei der Erstdiagnose eine Biopsie wichtig, sagt Harbeck. Dabei entnimmt man Gewebe aus der Metastase, um es im Labor zu untersuchen. Der Grund: Zum einen könnten diese Absiedlungen von anderen Krebsarten stammen, die dann auch eine andere Therapie erfordern. Zum anderen muss man die Eigenschaften der Krebszellen klären, um ihre Schwachstellen zu finden. So wird etwa erneut geprüft, ob die Brustkrebszellen Andockstellen für Hormone wie Östrogen und Progesteron sowie für den Wachstumsfaktor „HER2“ haben.

Wie findet man die passende Therapie?

Dafür braucht es Spezialisten aus vielen Fachbereichen, von der Gynäkologie über die Onkologie, Pathologie bis hin zur Radioonkologie: In einer Tumorkonferenz wägen sie gemeinsam ab, welche der vielen Therapieoptionen auch die beste Lösung für eine Patientin ist. Am Comprehensive Cancer Center (www.ccc-muenchen.de), dem gemeinsamen Krebszentrum der beiden Münchner Unikliniken, gehört dazu auch ein „Molekulares Tumorboard“: Hier wird in mehreren Hundert Genen nach Veränderungen gesucht, die für die Therapie relevant sein könnten.

Welche Behandlungsarten nutzen bei Metastasen?

Vor allem Medikamente, die das Wachstum der Krebszellen stoppen oder bremsen. Dazu kommen teils Wirkstoffe, die verhindern sollen, dass befallene Knochen brüchig werden. Bei starken Knochenschmerzen kann ergänzend eine gezielte Strahlentherapie helfen. Einzelne Metastasen in Lunge oder Leber lassen sich teils von innen bestrahlen, mit Laser oder Radiofrequenzsonden veröden oder chirurgisch angehen. Solche Eingriffe können helfen, die Organfunktion zu erhalten.

Wie bremsen Medikamente das Krebswachstum?

Frauen mit hormonempfindlichen Tumorzellen erhalten eine Antihormontherapie. Seit etwas mehr als zwei Jahren ist für sie zudem eine neue Medikamentengruppe zugelassen: „CDK4/6-Inhibitoren greifen in die Zellvermehrung ein“, erklärt Harbeck. Viele Frauen seien damit jahrelang stabil. „Sie brauchen dann keine Chemotherapie und können ihren Alltag ganz normal leben.“ In wenigen Wochen soll auch der erste „PARP-Inhibitor“ bei Brustkrebs zugelassen werden, der Frauen mit bestimmten Veränderungen (Mutationen) in den Brustkrebsgenen BRCA1 und BRCA2 helfen kann. Bis nächstes Jahr wird dann die Zulassung der ersten Immuntherapie für Frauen mit dem besonders aggressiven „triplenegativen“ Brustkrebs erwartet. Weiterhin können bald Frauen mit „HER2-positivem“, aber auch „HER2-negativem“ Brustkrebs in einem fortgeschrittenen Stadium an neuen Medikamenten-Studien am LMU-Brustzentrum teilnehmen: Bei dem Wirkstoff „Trastuzumab-Deruxtecan“ handelt es sich um ein Chemotherapeutikum, das an den bekannten HER2-Antikörper „Trastuzumab“ gebunden ist. Letzterer soll die Tumorzellen aufspüren, wo die Chemotherapie dann zielgenau wirken kann. Auch eine neue Tablettenchemotherapie mit „Tesetaxel“ wird gerade in einer Studie überprüft.

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