Kann Yoga für Patienten, die einen Herzinfarkt überstanden haben, eine Strategie zur Vermeidung eines zweiten Infarkts sein? Dieser Frage sind indische Wissenschaftler nachgegangen. Steigender Druck am Arbeitsplatz, ungelöste Partnerschaftsprobleme, ein nicht verarbeiteter Trauerfall oder finanzielle Probleme – alles Ursachen für Stressreaktionen.
Dauerstress macht krank – und ist Risikofaktor Nummer 1 in Bezug auf Herz-Kreislauf- Erkrankungen. Die Weltgesundheitsorganisation WHO hat ihn sogar zu „einer der größten Gesundheitsgefahren des 21. Jahrhunderts“ erklärt. Wir alle gehen mit dem Wort „Stress“ inflationär um. Haben Sie sich schon einmal gefragt, was Stress wirklich ist? Würden wir 20 Passanten willkürlich fragen, wir würden auch 20 verschiedene Antworten bekommen. Und genau das ist das Problem: Stress ist schwer fassbar, ist individuell, wird selten als Risikofaktor identifiziert und daher selten therapiert.
Grundsätzlich ist Stress eine normale und sinnvolle Reaktion des Körpers, um auf drohende Gefahren oder Angriffe blitzschnell zu reagieren: sei es in Form von Flucht oder Gegenangriff. Dafür hat unser Organismus ein hochleistungsfähiges System geschaffen: Stresshormone (Adrenalin und Noradrenalin) werden freigesetzt, die den Herzschlag beschleunigen, den Blutdruck erhöhen und die Atmung anregen. Damit Stress nicht krank macht, ist es wichtig, dass nach einer Anspannung eine Entspannung oder Ruhephase eintritt, um dem Körper die Möglichkeit der Regeneration zu ermöglichen. In dieser Phase müssen die Stresshormone wieder abgebaut werden. Passiert das nicht, entwickeln sich Dauerschäden in Form von Bluthochdruck und Gefäßverkalkungen als Wegbereiter für Schlaganfälle und Herzinfarkte.
Um den Stresslevel nach einem Herzinfarkt zu senken, haben indische Wissenschaftler rund 4000 Patienten über Jahre begleitet: Die Yoga-Gruppe sollte unter Anleitung Meditations- und Atemübungen sowie spezielle Yogaübungen durchführen. Die andere Gruppe wurde konventionell behandelt. Hatten die Patienten mindestens an zehn Yogasitzungen teilgenommen, war ihr Risiko für einen erneuten Infarkt um fast 50 Prozent gesunken. Und auch die Lebensqualität war erheblich verbessert: Es schafften deutlich mehr Patienten, ihren Alltag wieder so zu meistern, wie vor dem Infarkt.
Aber Vorsicht: Sich breitbeinig hinzustellen und die Arme auszubreiten, ist kein Yoga. Auch während der Übungen über die nächsten E-Mails oder über Probleme nachzudenken, ist kein Yoga. Und den Körper zu straffen, kann man auch im Fitness-Studio. Für Yoga braucht man Aufmerksamkeit und Konzentration – um sich zu besinnen und um Körper, Seele und Geist als Einheit zu erfahren. Nur so kann, laut der indischen Studie, der Stress des Alltags gezielt abgebaut werden. Ob man dieses Konzept nun auch auf unseren „westlichen“ Alltag übertragen kann, wissen wir nicht. Allerdings ist Yoga eine hervorragende Möglichkeit zur Stressbewältigung. Denn Stress beginnt im „Kopf“ – und endet am „Herzen“.
Priv. Doz. Dr. med. habil. Barbara Richartz, Niedergelassene Kardiologin in München- Bogenhausen, erklärt, warum Stress im Kopf beginnt – und am Herzen endet.