OHRENSCHMERZEN BEI KINDERN

Hilfe bei „Aua in den Ohren“

von Redaktion

von ANDREA EPPNER

Kleinere Kinder spritzen im Planschbecken herum, größere springen ins Schwimmbecken und tauchen auch mal ab: Ein Besuch im Freibad ist für kleine Wasserratten ein Riesenspaß. Manchmal geht der aber auf die Ohren: Keime im Wasser können zu einer Entzündung führen. „So eine Bade-Otitis ist sehr schmerzhaft“, sagt Prof. Hans Peter Niedermeyer, Leiter des Hörzentrums München, das zur HNO-Klinik des Klinikums rechts der Isar gehört. Hier verrät er Ihnen, was Eltern wissen sollten, wenn die lieben Kleinen Ohrenweh haben.

-Was sind die häufigsten Ursachen für Ohrenschmerzen?

Im Sommer steckt bei etwas älteren Kindern oft eine Entzündung des Gehörgangs hinter den Beschwerden. Auslöser sind Bakterien. Die Keime können zum Beispiel mit dem Badewasser in die Ohren kommen. In Schwimmbädern sei die Keimbelastung des Wassers vergleichsweise hoch, sagt Experte Niedermeyer. In Seen oder im Meer holt man sich deutlich seltener eine solche Entzündung. Bei kleineren Kindern ist eine Entzündung des Mittelohres die häufigste Ursache für Ohrenschmerzen. Sie tritt aber vor allem bei einer Erkältung und damit eher im Herbst und Winter auf. Eine Mittelohrentzündung kann allerdings auch Folge eines Schwimmbadbesuchs sein: Über einen Kanal, der den Nasen-Rachen-Raum mit dem Ohr verbindet – „Ohrtrompete“ oder „Eustachische Röhre“ (siehe Grafik) genannt – können Keime ins Ohr aufsteigen.

-Wie erkennen Eltern eine Ohrenentzündung?

Kleinkinder oder Säuglinge schreien und weinen auch, wenn sie die Windel voll haben, hungrig sind oder zahnen. Greift sich das Kind aber auffällig oft ans Ohr, könne das ein Hinweis auf eine Entzündung sein, sagt Niedermeyer. Er rät Eltern zudem zu einem Test: vorsichtig auf den „Tragus“ drücken. Dieser ist die kleine Erhebung, die sich an der vorderen Seite am Eingang zum Gehörgang befindet. Bei einer Entzündung reagieren Kinder abwehrend. Alternativ können Eltern leicht an der Ohrmuschel ziehen. Manchmal kann auch ein kleiner Eitertropfen aus dem Gehörgang laufen. Ältere Kindern sagen meist, dass ihnen das Ohr wehtut. Oder dass sie schlechter hören. Auch das kann auf eine Entzündung hindeuten. Ist der Gehörgang betroffen, liegt das daran, dass dieser stark angeschwollen ist.

-Was hilft, wenn der Gehörgang entzündet ist?

Behandelt wird mit kortison- oder alkoholhaltigen Tropfen. Babys und Kleinkinder bekommen diese ins Ohr getropft. Noch effektiver ist die Behandlung, wenn der Arzt einen Gazestreifen in diese Tropfen tunkt und den Streifen dann vorsichtig in den Gehörgang einführt. Dort muss der Streifen wenige Tage bleiben. Meist seien die Beschwerden schon am nächsten Tag deutlich geringer, sagt Niedermeyer. Nur: Die Streifen-Methode eigne sich erst für Kinder etwa ab dem Vorschulalter. Denn: Sie müssen verstehen, dass ihnen der Streifen hilft und sie ihn nicht herausziehen dürfen. Ist der Gehörgang zu stark geschwollen, muss man auch bei älteren Kindern auf die Tropfenmethode zurückgreifen. Meist reicht das aber: Ohrentropfen mit einem Antibiotikum sind oft nicht nötig.

-Was deutet auf eine Mittelohrentzündung hin?

Ist das Kind verschnupft und hat Ohrenschmerzen, deutet das auf eine Mittelohrentzündung hin. Im Sommer kann eine solche aber auch Folge eines Schwimmbadbesuchs sein. Letztlich könne nur ein Arzt sicher erkennen, welcher Teil des Ohres entzündet sei, sagt Niedermeyer. Bei der Mittelohrentzündung ist der Bereich zwischen Trommelfell und Innenohr (siehe Grafik) betroffen. Oft bildet sich darin Flüssigkeit, die das Trommelfell nach außen drückt. „Es ist vor allem dieser Druck, der zu den meist starken Schmerzen führt“, erklärt der Experte. Das Trommelfell kann sogar reißen. Druck und Schmerz lassen dann schlagartig nach. Meist heilt der Riss in wenigen Tagen folgenlos wieder zu.

-Was können Eltern bei solchen Beschwerden tun?

Gegen die Schmerzen helfen Zäpfchen mit dem Wirkstoff „Paracetamol“ – ein Notfallmittel, das die meisten Eltern für ihr Kind ohnehin daheim in ihrer Hausapotheke haben. Hilfreich seien zudem abschwellende Nasentropfen. Sie erleichtern nicht nur das Atmen, wenn das Kind verschnupft ist. „Sie führen auch zum Abschwellen der Ohrtrompete“, erklärt Niedermeyer. Bei einer Erkältung ist diese nämlich oft verengt. Dann wird auch das Mittelohr schlechter belüftet, dadurch kommt es leichter zu Entzündungen. Umgekehrt klingt diese eher ab, wenn man die Belüftung des Mittelohrs verbessert.

-Was ist mit Hausmitteln – helfen die auch?

Ein warmes Zwiebelsäckchen auf dem Ohr hilft: Davon sind manche Eltern überzeugt. „Ich würde das nicht empfehlen“, sagt Niedermeyer. „Es wird aber keinen Schaden anrichten.“ Wer darauf schwört, könne das also anwenden. Sehr kritisch sieht der Experte jedoch Ohrkerzen. „Auf keinen Fall anwenden!“, warnt er. Sie hätten keinen therapeutischen Effekt, zudem könne heißes Wachs das Kind verletzen.

-Wann sollte man mit dem Kind zum Arzt gehen?

Das hängt von Art und Stärke der Beschwerden ab. Geht es dem Kind ansonsten gut, können Eltern auch erst einen, maximal zwei Tage abwarten. Bessern sich die Beschwerden nicht oder werden sie schlimmer, sollten Eltern gleich zum Kinderarzt oder HNO-Arzt gehen: Dann ist ein Antibiotikum nötig. Gleich zum Arzt sollte man gehen, wenn es dem Kind von Anfang an richtig schlecht geht, es vielleicht sogar Fieber hat. Zumal eine Mittelohrentzündung zu schweren Komplikationen führen könne, warnt Niedermeyer. Sie könne sich auf den umliegenden Knochen oder die Hirnhäute ausbreiten – das ist lebensgefährlich! „Aber Eltern können meist gut einschätzen, wie es ihrem Kind geht.“

-Was hilft bei häufigen Mittelohrentzündungen?

Bei jüngeren Kindern zwischen zwei und sechs Jahren sind oft vergrößerte Rachenmandeln die Ursache. Sie liegen in der Nähe des Zugangs zur Ohrtrompete. Diese schwillt oft ebenfalls an, wenn sich die Mandeln entzünden. Das Mittelohr wird dann nicht mehr richtig belüftet. Es kann sich Flüssigkeit hinter dem Trommelfell bilden und eine Entzündung entstehen. Bei betroffenen Kindern sollten die Rachenmandeln entfernt werden, manchmal auch die Gaumenmandeln.

-Wann sind „Paukenröhrchen“ nötig?

Bei manchen Kindern bildet sich immer wieder Flüssigkeit hinter dem Trommelfell. Die Schleimhaut ist chronisch gereizt, es kann leicht zu Mittelohrentzündungen kommen. Um das Ohr dauerhaft besser zu belüften, macht der Arzt einen kleinen Schnitt in das Trommelfell und setzt ein kleines „Paukenröhrchen“ ein. Dieses stößt der Körper nach etwa einem Jahr von selbst ab. Bis dahin darf auf keinen Fall Seifen- oder Badewasser ins Ohr gelangen. Behelfen könne man sich damit, den Eingang zum Gehörgang mit einem in Vaseline getauchten Wattebausch abzudichten. Alternativ könne man eine „Otoplastik“, also einen vom Hörgeräteakustiker angepassten Spritzwasserschutz, verwenden – ergänzt durch eine eng anliegende Bademütze. Aufs Duschen und vor allem auf den Badespaß im Freibad müssen betroffene Kinder im Sommer also nicht verzichten.

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