ZUM TAG DER SEHBEHINDERTEN AM 6. Juni

Grüner Star: Stiller Tod des Sehens

von Redaktion

von ANDREA Eppner

Das Augenlicht erlischt schleichend, wenn ein Mensch am grünen Star, auch Glaukom genannt, erkrankt: Erst sieht er nur am Rand schlechter; das fällt vielen zunächst kaum auf. Schreitet die Erkrankung jedoch voran, verengt sich das kreisrunde Blickfeld von außen her immer weiter – bis eine Art „Tunnelblick“ entsteht, erklärt Prof. Siegfried Priglinger, Direktor der Augenklinik am Klinikum der Universität München. Hier die wichtigsten Antworten.

-Was genau ist eigentlich ein Glaukom?

Ein Glaukom ist eine Augenerkrankung, bei der der Sehnerv (siehe Grafik) dauerhaft geschädigt wird. Es gibt mehrere Formen, am häufigsten ist dabei das „Offenwinkel-Glaukom“. Weil ein Glaukom oft lange unbemerkt und damit unbehandelt bleibt, kommt es nicht selten zu Sehschäden oder gar zum Erblinden. Denn: Ein geschädigter Sehnerv lasse sich nicht reparieren, warnt Priglinger. Beim grünen Star sei es daher entscheidend, früh zu reagieren – im Gegensatz etwa zum grauen Star. „So kann man versuchen, weitere Schäden zu verhindern.“

-Wie kommt es zu einem Schaden am Sehnerv?

In vielen, aber längst nicht in allen Fällen ist die Ursache ein zu hoher Augendruck. Der entsteht, wenn Bildung und Abfluss des Kammerwassers (siehe Grafik) im Auge aus der Balance geraten – etwa, weil der Abflussbereich verstopft ist. Dann steigt der Druck im Augeninneren. Darunter leidet besonders der Sehnerv, der die Signale der Sehsinneszellen zum Gehirn leitet: Ist der Druck sehr hoch, können in kurzer Zeit viele Nervenfasern absterben. Bei einem solchen „Glaukom-Anfall“ haben Betroffene aber Schmerzen – und gehen darum gerne zum Augenarzt. Häufiger ist der Druck mäßig erhöht. „Er liegt in einem Bereich, in dem man keine Schmerzen hat“, sagt der Experte. Langfristig schädige aber auch das die Nervenfasern – und zugehörige Sehsinneszellen in der Netzhaut. Auch sie sterben mit der Zeit ab. „Zuerst in der Peripherie, sodass der Patient das anfangs nicht mitbekommt“, ergänzt Priglinger. „Darum spricht man auch vom ,stillen Tod des Sehens‘.“

-Welcher Augeninnendruck ist „normal“?

Statistisch gesehen normal ist ein Wert zwischen 10 und 21 mmHg (Millimeter auf der Quecksilbersäule). Das ist aber ein grober Richtwert, im Einzelfall kann auch ein höherer oder niedrigerer Druck normal sein – oder eben schon zu hoch. So gibt es auch Menschen, die am sogenannten Normaldruck-Glaukom erkranken. Gemessen wird der Druck per „Tonometrie“. Es gibt eine kontaktlose Methode, die über den Luftdruck funktioniert und bei der der Patient nur einen kurzen Luftstoß im Auge spürt. Das bieten auch Optiker an. Genauer ist aber das Kontakt-Verfahren: Dabei wird die Hornhaut direkt von einem Messkörper berührt. Diese Untersuchung führen nur Augenärzte durch.

-Was, wenn der Druck tatsächlich zu hoch ist?

Ist der Augendruck erhöht, heißt das nicht immer, dass der Betroffene an einem Glaukom leidet. Ist der Sehnerv gesund, dann ist ein erhöhter Augeninnendruck, man spricht auch von „okulärer Hypertension“, zunächst „nur“ ein Risikofaktor – so ähnlich wie zu hoher Blutdruck für Herz und Kreislauf. Der hohe Druck im Auge erhöht also die Gefahr, an einem Glaukom zu erkranken.

-Reicht die Druckmessung als Früherkennung?

Nein! „Man muss auch ins Auge reinschauen“, sagt Priglinger. Schon allein deshalb, weil es Glaukomarten gibt, bei denen der Augendruck nicht erhöht ist. Der Arzt muss daher unbedingt auch den Zustand des Sehnervs begutachten. Dazu untersucht er den Augenhintergrund mittels eines Ophthalmoskops. Leidet ein Patient an einem Glaukom, ist der Sehnervenkopf (siehe Grafik) oft sichtbar ausgehöhlt. Dann folgt meist eine Untersuchung des Gesichtsfeldes: Bei dieser „Perimetrie“ wird geprüft, ob und wie stark das Blickfeld des Patienten eingeschränkt ist, wo er also noch gut sieht und wo nicht. Zu Ausfällen komme es dabei erst, wenn bereits rund 90 Prozent der Sinneszellen im betroffenen Bereich abgestorben sind, sagt Priglinger. Sie reiche daher nicht allein, um die Diagnose Glaukom rechtzeitig zu stellen. Dazu sei eine Zusammenschau aller Untersuchungsergebnisse nötig.

-Warum wird die Früherkennung nicht bezahlt?

Der Gemeinsame Bundesausschuss (GBA) legt fest, was gesetzliche Krankenkassen bezahlen müssen: Die Glaukom-Früherkennung gehört bislang nicht dazu (www.g-ba.de). Der GBA verweist auf nicht ausreichende Studiendaten. Mehr zu dieser Entscheidung und den Hintergründen finden Sie im Internet unter www.igelmonitor.de. Viele Augenärzte, darunter der Berufsverband der Augenärzte (BVA) und auch unser Experte, halten die rund zwanzig Euro teure Früherkennung aber für gut investiertes Geld – besonders bei Menschen mit höherem Risiko.

-Wer ist gefährdet?

Laut BVA sind unter den 40-Jährigen etwa 2,4 Prozent betroffen, bei über 75-Jährigen sind es sieben bis acht Prozent. Das Risiko steigt also mit dem Alter. Darum rät man beim BVA ab 40-Jährigen alle zwei Jahre und ab 60-Jährigen alle ein bis zwei Jahre zu einer Früherkennung. Auch eine starke Kurz- oder Weitsichtigkeit erhöht das Risiko, ebenso, wenn enge Verwandte betroffen sind. Auch dunkelhäutige Menschen trifft es öfter.

-Wie wird behandelt?

Mit Augentropfen lässt sich ein zu hoher Druck meist gut senken. Patienten müssen die Tropfen dazu täglich und dauerhaft anwenden. Ist der Sehnerv bereits stärker geschädigt oder wurde ein „Normaldruck-Glaukom“ festgestellt, versucht man dabei niedrigere Werte zu erreichen. Oft ist eine Kombination von Augentropfen mit mehreren Wirkstoffen nötig. „Acetazolamid“-Tabletten – sie können bei langfristiger Einnahme nierenschädigend wirken – dienten vor allem als Notfalllmittel, sagt Priglinger, also etwa bei einem Glaukom-Anfall. Dabei steigt der Druck auf extreme Werte von 50 mmHg und mehr, es drohen Sehschäden und sogar das Erblinden.

-Was, wenn Tropfen allein nicht helfen?

Sind anatomische Veränderungen Ursache des erhöhten Drucks, etwa bei einem „Engwinkel-Glaukom“, ist oft ein Lasereingriff nötig. Eine Operation kann aber auch bei anderen Glaukom-Arten sinnvoll werden – und zwar, wenn Augentropfen den Druck nicht ausreichend senken. Dabei gibt es sehr viele OP-Methoden, die alle Vor- und Nachteile haben. Welches Verfahren sich am besten eigne, hänge von vielen Faktoren ab, sagt Priglinger. Die meisten Methoden basieren auf folgenden Ansätzen: Meist versuche man den Abfluss des Kammerwassers zu verbessern, dadurch sinkt der Druck im Auge. Deutlich seltener verringert man die Bildung des Kammerwassers per Laser. Generell sind Folge-Eingriffe beim Glaukom nicht selten. So kann etwa eine starke Narbenbildung den neu geschaffenen Abfluss verstopfen, der Druck steigt erneut. Ganz wichtig sei daher eine intensive Nachbehandlung. Bis zu 50 Prozent des OP-Erfolgs hingen davon ab, sagt Priglinger. „Die perfekte Glaukom-Operation ist leider noch nicht erfunden.“

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