Hoch hinaus wollen gerade jetzt viele, denn die frühsommerlichen Temperaturen locken Menschen in die Berge zu Wandertouren. Doch vor allem Senioren sollten Gefahren und sich selbst einschätzen können, rät Prof. Peter Diehl vom Orthopädiezentrum München Ost.
-Bergwandern gilt als besonders schonend. Für Senioren kann es aber problematisch sein. Warum?
Für Menschen mit gesunden Gelenken ist Wandern ein guter Sport. Problematisch oder sogar gefährlich kann es aber für diejenigen werden, deren Gelenke bereits einen gewissen Verschleiß zeigen oder eine Arthrose haben. Das ist bei Senioren sehr häufig der Fall. Gerade beim Bergabgehen macht sich ein Verschleiß an der Kniescheibe besonders durch Schmerzen bemerkbar.
-Ist der Abstieg also belastender als der Aufstieg?
Ja, der Abstieg belastet die Gelenke eindeutig mehr. Insbesondere die Kniegelenke werden wegen der negativen Bremskräfte deutlich stärker beansprucht.
-Wann sollten Senioren aufs Wandern verzichten?
Vor allem dann, wenn bereits eine Retropatellar-Arthrose vorliegt, also eine Arthrose an der Kniescheibe.
-Sind Gelenkprobleme stets ein Grund, sich eine andere Sportart zu suchen?
Nein. Nicht bei allen Knieproblemen muss man auf das Wandern verzichten! Manchmal hilft es schon, sich von einem Orthopäden Einlagen oder orthopädische Schuhe verschreiben zu lassen.
-Und wie ist das mit einer künstlichen Hüfte? Sollte man dann lieber im Flachen wandern?
Senioren mit sogenannten Hüftendoprothesen müssen nicht ausschließlich im Flachen wandern. Je nach körperlicher Verfassung können sie auch Bergtouren mit Anstiegen gehen. Allerdings liegt die Grenze eindeutig bei Klettersteigen. Diese stellen eine zu große Belastung für das künstliche Gelenk dar. Das kann zu Verletzungen führen.
-Kann man auch gelenkschonend wandern?
Gefährlich wird das Wandern dann, wenn der Untergrund uneben ist, wie bei Sand- und Schotterwegen. Hier knickt man leichter um und verletzt sich die Gelenke schneller. Das ist besonders oft der Fall, wenn man gegen Ende der Tour schon müde ist. Da die Gelenke beim Abstieg besonders belastet werden, bietet es sich an, etwa die Gondel bergab zu nehmen.
-Gibt es Hilfsmittel, die eine Wanderung generell leichter machen?
Ja, zum Beispiel Trekkingstöcke. Sie wirken stabilisierend auf die Gelenke und helfen dem Rücken. Außerdem können Trekkingstöcke das Körpergewicht entlasten. Und sie verringern die Gefahr, umzuknicken oder sich zu vertreten, was bei einer beginnenden Arthrose nicht förderlich wäre. Wichtig ist aber, die Stöcke in der richtigen Länge einzustellen: Für das Gehen in der Ebene auf Ellenbogenhöhe; für den Anstieg sollte man die Länge verringern – und beim Abstieg wieder entsprechend verlängern.
-Worauf kommt es bei den Schuhen an?
Wichtig ist, unbedingt Wanderschuhe zu tragen und keine Turnschuhe! Die Wanderschuhe sollten bis über den Knöchel reichen, damit man nicht umknickt. Wenn Sie sich neue kaufen, sollten Sie immer auf eine stabile Laufsohle mit guter Dämpfung achten. Sind die eingeplanten Wege eher steinig und haben Sie schweres Gepäck dabei, sollte die Dämpfung eher hart sein. So hat man eine bessere Stabilität.
-Weil Sie gerade von Gepäck sprechen: Kann man jeden Rucksack verwenden?
Ein guter Wanderrucksack zeichnet sich durch seine Gurtführung aus. Wichtig ist, dass die Gurte und auch die Auflagen auf den jeweiligen Träger optimal eingestellt sind. Dann kann man durchaus fünf bis zehn Kilo je nach Konstellation tragen.
-Beim Wandern kann man auch stolpern oder stürzen. Welche Verletzungen sind bei Senioren besonders häufig?
Besonders häufig sind Schenkelhalsbrüche, vor allem bei Senioren mit Osteoporose, also mit porösen Knochen. Häufig werden bei Stürzen auch die Finger und Handgelenke verletzt, weil man versucht, sich abzustützen, um den Sturz abzufangen. Und letztlich kann es durch diese Stürze auch zu einem Oberarmkopfbruch kommen.
-Helfen Pausen, Stürze zu verhindern?
Eine Pause während einer Wanderung trägt zwar zur allgemeinen Erholung bei. Aber die Gelenke erholen sich so nicht.
-Worauf sollten Wanderneulinge bei ihrer Tour-Planung achten?
Ich empfehle, mit kurzen Touren von insgesamt maximal zwei Stunden zu beginnen. Dann kann man sich gegebenenfalls noch steigern. Anfänger sollten sich zudem ausschließlich leichte Wanderrouten vornehmen. Später kann man auf mittelschwere übergehen.
-Können sich Senioren mit einem speziellen Training auf eine Wanderung vorbereiten?
Ja, selbstverständlich! Fahrradfahren ist die beste Möglichkeit, um sich aufs Wandern vorzubereiten. Hier wird nämlich der Körper ganzheitlich gefordert. Radfahren ist schonend für die Gelenke und gut für die Kondition. Meine Empfehlung für den Start in die Wandersaison: Trainieren Sie zwei- bis dreimal in der Woche mindestens 30 Minuten. Am besten beginnen Sie schon rund vier Wochen vor der ersten Wanderung. So senken Sie auch das Risiko, sich beim Wandern zu verletzen.
Das Gespräch führte Angelika Mayr.