Heute ist Welt-Parkinson-Tag

Parkinson: „Viele fühlen sich abgeschrieben“

von Redaktion

Parkinson ist eine tückische Krankheit. Oft wird sie erst spät diagnostiziert: wenn die Betroffenen schon lange Zeit leiden, wenn viele Hirnzellen verloren sind, wenn die Patienten sichtbar zittern und sich deutlich langsamer bewegen. „Es ist wichtig, schon bei ersten Anzeichen auf Parkinson zum Arzt zu gehen. Zwar ist diese Krankheit nicht heilbar, aber wenn ihr Verlauf von Spezialisten beobachtet wird, lässt sie sich meist mithilfe von Medikamenten über Jahre hinweg beherrschen“, sagt Bayerns Gesundheitsministerin Melanie Huml (CSU) anlässlich des heutigen Welt-Parkinson-Tages.

In der Tat lässt sich Parkinson recht gut behandeln, aber eben nur für eine begrenzte Zeit. Für die Spätphase gebe es nicht einmal medizinische Leitlinien, warnt Prof. Stefan Lorenzl von der Universität München, der die neurologische Abteilung im Krankenhaus Agatharied (Kreis Miesbach) leitet. „Dazu gibt es bislang keine Studien.“ Wie also damit umgehen?

Zumal die Zahl der Parkinson-Patienten dramatisch zunimmt. In Bayern kommen auch immer mehr von ihnen ins Krankenhaus: Allein im Jahr 2016 wurden 6769 Betroffene stationär behandelt; im Jahr 2015 waren es noch 6577.

Weltweit haben mehr als 6,2 Millionen Menschen „Morbus Parkinson“. Wegen der demografischen Entwicklung – sprich der steigenden Zahl älterer Menschen – wird sich die Zahl bis zum Jahr 2040 auf etwa 13 bis 14 Millionen mehr als verdoppeln.

Experte Lorenzl spricht daher von einem Problem, das immer dringlicher wird. „Unsere Parkinson-Patienten werden immer älter“, sagt er. „Nach der Diagnose leben sie heute noch 20 Jahre und mehr. Sie erreichen damit ein Stadium, das wir früher kaum kannten.“ In Deutschland betreffe dies etwa ein Drittel der rund 250 000 Patienten. Die Krankheit setzt meist zwischen dem 50. und 60. Lebensjahr ein; Männer erkranken etwas häufiger als Frauen.

Betroffen ist bei Parkinson vor allem das Hirnareal „Substantia nigra“, das an der Koordinierung von Bewegungen beteiligt ist. Dort liegen Nervenzellen, die den Botenstoff Dopamin herstellen. Wenn die Krankheit anhand der typischen Bewegungsstörungen wie Zittern oder Muskelsteifheit festgestellt wird, ist hier schon die Hälfte der Nervenzellen zerstört – die Dopamin-Menge um 80 Prozent gesunken. Dass der Verfall nicht früher offenkundig wird, liegt daran, dass das Gehirn den Ausfall von Nervenzellen erstaunlich lange kompensiert.

In den ersten Jahren bieten Medikamente wie Levodopa vielen Patienten fast völlige Symptomfreiheit. Dann schwindet die Wirksamkeit.

In dieser Phase kann die Tiefe Hirnstimulation, oft Hirnschrittmacher genannt, die Lebensqualität noch eine Zeit lang verbessern. Zudem prüfen Forscher derzeit spezielle Impfungen. Sie sollen eine Ausbreitung bestimmter Formen des Proteins Alpha-Synuclein hemmen: Dieses Eiweiß taucht zwar auch in gesunden Körperzellen auf, bildet in fehlgefalteter Form aber Klumpen, die nach Ansicht zahlreicher Experten die Nervenzellen schädigen. Nur: Selbst optimistische Szenarien lassen lediglich hoffen, dass solche Impfungen das Fortschreiten der Krankheit verzögern – nicht aufhalten.

Das späte Schicksal vieler Patienten und ihrer pflegenden Angehörigen läuft somit oft im Stillen ab. Einige Patienten seien sich selbst überlassen, sagt Georg Ebersbach von den Kliniken Beelitz bei Berlin: „In vielen Pflegeheimen sind Ärzte und Therapeuten mit den speziellen Problemen nicht vertraut.“ Jene Krankheitsphase, in der Therapien kaum noch greifen und Patienten entweder zuhause von Angehörigen oder aber in Heimen gepflegt werden, ist weitgehend unerforscht. „Es gibt kaum Daten zur Versorgung in der Fläche“, sagt Ebersbach.

Das soll sich jetzt mit dem „CLaSP“-Projekt („Care for Late Stage Parkinsonism“) ändern. Dabei werden in mehreren europäischen Ländern rund 800 Patienten untersucht. „Sie kommen meist nicht mehr zu einem Spezialisten und haben wenig Versorgung“, sagt Projektleiterin Anette Schrag vom University College London. „Wir wollen diese Phase der Krankheit verstehen, ebenso wie die vielfältigen Symptome und was das für Patienten und ihre Angehörigen bedeutet.“

Experte Lorenzl aus Agatharied untersucht explizit die Situation in Deutschland. „Zu Beginn der Parkinson-Erkrankung nehmen viele Menschen an Studien teil und werden gut versorgt. Sobald die Patienten jedoch unbeweglicher werden, schaffen es viele nicht mehr zum Hausarzt – und schon gar nicht zum Neurologen. Dann können wir die Therapien nicht mehr verfolgen und anpassen“, sagt er. Die Krankheitsverläufe seien extrem unterschiedlich. Das erschwere nicht nur die Therapie, sondern erfordere auch regelmäßige Besuche bei Fachärzten.

Grundsätzlich müsse sich der Fokus der Behandlung in der späten Phase stark ändern, fordert Lorenzl. Gerade Medikamente müssten regelmäßig überprüft werden – mit Blick auf die gewünschte Wirkung oder eben auf etwaige Nebenwirkungen. Zudem müssten Ärzte die Situation der Angehörigen konkret erfassen. „Die Pflege ist körperlich und psychisch extrem belastend“, sagt Lorenzl. Bei vielen Parkinson-Patienten gebe es Wesensänderungen, „damit ist sehr schwer umzugehen“. Unter Umständen sei ein gutes Pflegeheim oder eine Tagesstätte für alle Beteiligten die beste Lösung. Auch in der Endphase der Erkrankung sieht Lorenzl große Defizite. Weil sich der Parkinson-Verlauf kaum vorhersagen lasse, würden sich viele Hospize weigern, solche Menschen aufzunehmen – selbst dann, wenn ein Patient die Nahrung verweigere.

Auch CLaSP-Projektleiterin Schrag sieht all diese Probleme. „Es gibt wenig konkrete Planung, was mit den Patienten im Spätstadium passieren soll“, sagt sie. „Wir haben zwar viele gute symptomatische Medikamente, aber die Probleme werden irgendwann so komplex, dass diese nicht mehr ausreichen. Viele Menschen fühlen sich abgeschrieben.“  mm

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