Klaus Eberhartinger, seit Ewigkeiten im Einsatz für die Erste Allgemeine Verunsicherung (EAV), ist ein schwieriger Gesprächspartner. Denn man kommt kaum dazu, Fragen zu stellen. Die Geschichten sprudeln heraus aus dem 69-jährigen Österreicher, der ohne Punkt und Komma in Erinnerungen und Anekdoten schwelgt. Er nimmt kein Blatt vor den Mund, danach wird man gebeten, das Interview zur Freigabe einzusenden. Dann hört man länger nichts und befürchtet das Schlimmste. Aber: Eberhartinger ändert kein Wort. Er fügt nur einen Hinweis auf das neue Live-Album und eine DVD ein. Ein Profi.
Sie leben auch in Kenia: Weiß man dort, dass Sie hier berühmt sind?
Es hat sich herumgesprochen, auch durch die Kenianer, die in Österreich und Deutschland leben. Aber niemand weiß genau, was ich da mache. Das ist auch gut so.
Sie haben Afrika sehr früh für sich entdeckt…
Ich habe mein Medizinstudium abgebrochen, weil mich die rechtslastigen Professoren am Grazer Institut fertig gemacht haben. Mich hat es nach Afrika gezogen wegen Professor Bernhard Grzimek und seinem Film „Serengeti darf nicht sterben“ – der hat mich als Frühpubertierenden begeistert. Das war für mich die große, weite Welt. Afrika hat eine kontinentale Schwingung, die mir sagt: Meine Wiege steht auf jeden Fall dort – und vom Rest der Menschheit ja auch.
Nach mehr als 40 Jahren ist gerade eine Biografie der EAV erschienen.
Das war eine Idee von Thomas Spitzer (Gründer, kreativer Kopf und Gitarrist der EAV; Anm. d. Red.). Er hat Unmengen von Fotos, Videos und alles mögliche andere. Und er wollte das in einem Buch sammeln. Das ist ein Projekt von Thomas und seiner Partnerin Nora Tietz. Ich habe Teile davon vorher nicht gesehen, vielleicht hätte ich ein bisschen redigiert, was die wilden Zeiten angeht. Aber jetzt ist es eh wurscht. Was da durch den Boulevard ging, mit Kokain-Exzessen und so weiter, war so. Es waren die frühen Neunzigerjahre, und wir waren in bester Gesellschaft. Große Namen aus Politik und Wirtschaft, sag’ ich da nur. Aber das ist im wörtlichen Sinne Schnee von gestern.
Wie einigt man sich als Band auf eine gemeinsame Version der eigenen Geschichte?
Es ist natürlich eine subjektive Biografie. Ich erinnere mich an manche Sachen etwas anders. Das ist wie in diesem japanischen Film „Rashomon“, in dem vier Leute dieselbe Geschichte erzählen und jeder erinnert sich komplett anders.
Im Buch steht, die EAV hätte Stimulanzien konsumiert, um die Kreativität anzuschieben.
Na, einfach, weil es üblich war und Spaß gemacht hat. Und es hat funktioniert. Bevor man abstürzte, hat einen der Alkohol durchaus in eine Welt geführt, die illuminiert war, gewissermaßen. Und Kokain euphorisiert unheimlich. Aber irgendwann muss man aufwachen. Ich hatte immer Spaß dabei, habe aber bei anderen gesehen, wohin der Extremkonsum führt. Und irgendwann habe ich die Entscheidung getroffen: Den Weg gehe ich jetzt nicht.
Im Buch werden Sie als Hirtenhund bezeichnet, der auf die Herde aufpasst. Sie haben das Allerschlimmste verhindert, wenn das Chaos zu groß wurde?
Das liegt vielleicht an meiner Biografie. Ich bin als junger Mensch mit Drogen in Verbindung gekommen. Ich war wirklich gefährdet und habe damals die Erkenntnis getätigt, dass die Droge so lange lustig ist, wie du sie reitest. Wenn die Droge irgendwann dich reitet und du zu viel Zeit mit ihr verbringst, musst du dich sofort verabschieden. Das habe ich später auch bei uns beobachtet. Wenn es zu grausam wurde, bin ich ausgestiegen und habe klargemacht: So geht es nicht mehr. Darüber haben der Thomas und ich gestritten. Ich habe auch gesagt: „Mich leckst am Arsch. Wenn du so weitermachst, bin ich weg.“ Ich habe ihn, als es ganz schlimm wurde, da rausgerissen und in einem Sanatorium abgeliefert, aus dem er dann geläutert herausgekommen ist.
Als die EAV erstmals auftauchte, war das eine vogelwilde Krawalltruppe. Niemand hätte geglaubt, dass das eine kommerziell erfolgreiche Band wird, die über Jahrzehnte im Geschäft bleibt.
Angefangen haben wir vaudevillemäßig und waren im Chaos zu Hause. Und im Slapstick auch. Die Welt des Cartoons hat uns sehr beeinflusst. Wir sind mit Wilhelm Busch aufgewachsen, das darf man nicht unterschätzen. Thomas und mich hat das gleiche Virus infiziert. Irgendwann kam völlig überraschend die Nachricht, unser „Alpenrap“ (erschienen 1983 auf „Spitalo Fatalo“; Anm. d. Red.) ist in Österreich auf Nummer drei der Charts. Wir haben uns angeschaut und uns gefragt: Was heißt des jetzt? Na, das hieß, wir konnten ins Fernsehen und denen hat natürlich gefallen, wenn wir in unseren Kostümen ein Spektakel aufgeführt haben. Und das hat dann etwas Bewegung in die Geldschatulle gebracht, was uns dazu motiviert hat, weiter in diese Richtung abzugleiten. Thomas regt sich manchmal darüber auf, wenn es heißt, die EAV hätte Trullala gesungen. Aber er hat es halt auch geschrieben. Und haben wir nicht alle sehr darüber gelacht?
Thomas Spitzer und Sie sind im Grunde Ihr gesamtes erwachsenes Leben lang befreundet. Gleichzeitig sind Sie künstlerische und geschäftliche Partner. Wie bringt man das zusammen?
Es ist ein bisschen monokulturell bei uns, das stimmt. Wir haben uns tatsächlich immer gut verstanden, manchmal im Exzess auch Hand in Hand die Klippen hinuntergestürzt. Wir haben immer Spaß gehabt, auch beim Arbeiten. Ich habe ihn nach Afrika verschleppt, wo es ihm sofort gefallen hat. Wir haben dort gemeinsam ein Tonstudio gebaut, mit unseren eigenen Händen. Da gibt es ja nichts fertig zu kaufen, etwa schalldichte Türen. So etwas schweißt zusammen. Wir haben schon auch gestritten. Aber wehe, der Feind kam von außen…
Spitzer hatte eine Zeit lang keine Lust, bei der EAV mitzuspielen.
Ja, als Gitarrist war ihm dann oft schnell fad. Also bin ich mit der Combo aufgetreten. Mir macht es Spaß. Schau: Es gibt Leute, die schreiben den Film, und Leute, die spielen im Film. Ich bin der Schauspieler. Und bei der Abschiedstour hat Thomas mitgemacht und hatte Spaß. Es war wie in alten Zeiten.
Abschiedstour bedeutet ja immer nur Ankündigung der allerletzten Tournee…
Ich habe Thomas gesagt, dass man sich nach 40 Jahren langsam mit dem Thema befassen muss. Damit war er zunächst nicht so glücklich. Ich habe mich dann entschlossen, bei Interviews zu sagen: Das ist das letzte Album und die letzte Tournee, damit war er schließlich einverstanden. Weil ich ihn überzeugen konnte, dass es schöner ist, wenn die Leute sagen: „Schade, dass ihr aufhört.“ Gut, man kann dann noch mal eine weitere Abschiedstour machen, wie die Rolling Stones. Aber für die nächsten zwei, drei Jahre ist das Thema für mich gegessen. Aber die Entzugserscheinungen werden kommen. Für mich war schön, dass bei dieser Tour unsere politische Nummern sehr gut ankamen. Denn die rechtspopulistischen Bewegungen in Deutschland und Österreich machen mich wütend. Und nach rechts beiße ich am liebsten.
Das Gespräch führte Zoran Gojic.
Erste Allgemeine Verunsicherung:
„1000 Jahre EAV – Der Abschied“ (Sony).