von Redaktion

Eigentlich wollte er gar keine Dankesrede halten, neulich bei den GQ-Awards. Doch so kennt man Hape Kerkeling: Der 54-jährige Komiker trägt sein Herz auf der Zunge. Und ging dann doch als Preisträger der Kategorie „Entertainment“ auf die Bühne – um die politische Situation im Land zu kritisieren (wir berichteten). Tags drauf trafen wir ihn zum Gespräch in Berlin. Morgen startet der zweite Teil des Disney-Weihnachtsfilms „Die Eiskönigin“, in dem Kerkeling dem fröhlichen Schneemann Olaf seine Stimme leiht. Der erste Teil war der erfolgreichste Animationsfilm überhaupt. Für Kerkeling ein Herzensprojekt. Gerade in Zeiten, in denen der Ton rauer wird, brauche es Filme, die das Herz erwärmen.

„Ich bereite mich auf das Schlimmste vor, ich hoffe das Beste und ich nehme es, wie es kommt“, zitierten Sie bei den GQ-Awards Hannah Arendt. Das ist ja Olafs Philosophie!

Ist das so? Na ja, der haut schon die eine oder andere Weisheit raus.

Kann man mit Singen und Humor im Leben denn wirklich alles schaffen?

Singen und Humor sind eine gute Kombi. Singen ist Sound, und Sound hat mit dem Wort gesund zu tun. Wir sollten unseren Körper immer wieder zum Klingen bringen, dann bleibt er gesund. Und Humor? Muss ein ständiger Wegbegleiter sein.

Wie schafft man es, den Humor auch in miesen Situationen zu behalten? Lachen, wenn es nicht zum Weinen reicht?

Ich persönlich versuche, nicht in einer Froschperspektive zu verharren, sondern ab und an eine Vogelperspektive auf mich selbst einzunehmen. Dann guck ich mich von oben an und denke: Du Tölpel, was hast ’n da wieder gesagt? Was hast ’n da wieder angezogen? Wie haste dich denn da wieder benommen? Wenn man diese Perspektive einnimmt, erlebt man, dass man sich selbst auch sehr komisch finden kann. Ich hab da viel Freude mit mir. (Lacht.)

Wie findet man im Leben den richtigen Ton so wie Sie im Synchronstudio?

Ich glaube, dass man grundsätzlich mit Höflichkeit erst mal am weitesten kommt. Dass man das nie vergessen sollte. Ich war kürzlich in Stockholm in einem Restaurant, dann kam der Besitzer und sagt zu meinem Mann und mir: „Oh, I like Germans. Germans say ,Bitte‘, Germans say ,Dankeschön‘. Swedish people don’t do that.“ Sie sehen: Mit Höflichkeit kommt man stets weiter.

Sie als Olafs Sprecher, das ist die ideale Besetzung. Weil Sie ihm charakterlich ähneln?

Ich bin auch kein zynischer Mensch. Ich bin auch kein besonders aggressiver Mensch, sondern versuche, versuche!, mit meiner Umwelt liebenswürdig umzugehen – das könnte eine Gemeinsamkeit zwischen dem Schneemann und mir sein. Ich bin manchmal auch schon ziemlich vor den Schrank gelaufen und naiv, also insofern…

Das Schöne an dem Film ist, dass die Frauen so stark sind. In entscheidenden Situationen kommt dann aber doch der Mann als Retter daher. Brauchen die Damen noch immer den rettenden Prinzen?

Na ja, die Hauptrettung erscheint mir eher die Liebe der zwei Schwestern zu sein. Diese starke Schwesternliebe überstrahlt schon alles. Und dass der Held in einem Disney-Film die Prinzessin mal rettet, also das lasse ich mir jetzt auch nicht nehmen.

Kein überholtes Bild?

(Gespielt entsetzt:) Das ist doch Animationsfilm! Nehmen Sie das doch jetzt nicht soooo ernst. (Lacht.)

Ach, ich hätte es schön gefunden, wenn die Schwestern manche Situation allein überwunden hätten…

Tja, aber die Wahrheit ist, dass man es nie komplett alleine schafft.

Na gut, das lasse ich gelten. Das mit dem Einander-Helfen nehmen Sie sehr ernst. Sie sind Unterstützer vieler Projekte. Unter anderem des Forums Humor in München.

Ja, ich unterstütze dieses Herzensanliegen von Gerhard Polt ganz, ganz vehement.

Warum?

Weil ich finde, dass der Gerhard Polt Recht hat. Dass es ein Museum für Humor geben muss. Die Idee dahinter ist so klug, so sympathisch, so herzerwärmend, dass das sein muss. Wir sind ja auch Deutsche, da errichtet man dem Humor ein Museum, und das passt schon. München ist für mich die richtige Stadt mit Karl Valentin, da gehört das hin.

In der derzeitigen politischen Situation im Land vergeht einem tatsächlich manches Mal das Lachen. Darauf haben Sie bei den GQ-Awards deutlich hingewiesen. Bereuen Sie das am nächsten Tag oder freuen Sie sich, dass Sie so einen Wirbel machen können?

Es ist so, dass ich eigentlich am nächsten Tag jede Dankesrede, die ich bisher gehalten habe, bereut habe. Scherz beiseite: Nein, ich bereue es nicht.

Sie haben ausgesprochen, was viele denken. Haben Sie eine Idee, wie es politisch weitergehen könnte?

Ja, aber mich fragt ja keiner. (Lacht.)

Dann frag ich Sie jetzt!

Ach, das sind so Gedankenspiele. Nee, besser nicht. Nein wirklich, besser nicht.

Glauben Sie, dass Kunst oder Filme etwas ändern können an dieser negativen Stimmung, die in der Luft liegt? Kann eine „Eiskönigin“ da die Herzen erwärmen?

Tatsächlich ja. Ich glaube schon, dass ein guter Film was verändern kann. Jeder Film, der eine gewisse Kraft hat, verändert einen Menschen – und wenn es nur minimal ist. Darum geht’s auch in der „Eiskönigin“: Der nächste Schritt ist der wichtigste. Dass man vielleicht beim nächsten Mal etwas ein kleines bisschen anders macht und dadurch in eine komplett andere Richtung geht – das ist eine große Weisheit. Kunst und Musik bereichern unser Leben und sind der Ausdruck höchster Kultur. Ohne das wären wir ja ganz arm, das gehört zum Menschen dazu. Wenn uns irgendwann mal Außerirdische entdecken, was werden die an uns faszinierend finden? Dass wir Filme machen. Dass wir Theaterstücke schreiben. Dass wir Musik haben. Ich glaube, das haben andere Welten nicht.

Ein Leben ohne Kunst und Kultur wäre für Sie nicht möglich?

Es wäre nicht lebenswert.

Das Gespräch führte Katja Kraft.

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